Trommelstock

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Völkerschlacht 1813 / 1913 / 2013

Trommelstock

150 x 2700 mm
Holz
Fundort: Markranstädt
Funddatum: 05.07.2012

Zu sehen ist das Fragment eines Trommelstocks, der mit aller Wahrscheinlichkeit seinen Einsatz während der vernichtenen Niederlage des Napoleonischen Heers 1813 fand.

Der erste Blick sagte mir nichts. Nur ein Stück Holz, das verdörrt und verschmutzt in der großen Kiste auf dem Dachboden steckte. Wie es dalag, still zwischen all den anderen vergilbten und vergessenen Kostbarkeiten, die, wie ich mir vorstellte, schon durch dutzende Hände gingen. Die die Luft einer glorreichen Ära oder furchtbaren Epoche in sich aufgesogen hatten und deren Bedeutung und Nachhall für immer konservierten.
Zu Beginn empfand ich bei diesem Hölzchen nichts.

Fundort des Objekts.

Fundort des Objekts.

Doch während ich in der Kiste wühlte, die auf dem Dachboden einer Freundin schon halb vergessen ihren Platz besetzte, dies und jenes Stück in meine Hände nahm, ansah, bewertete und weglegte, begann dieses Hölzchen mein Interesse zu wecken. Was mich zunächst unberührt ließ, verlangte nun all meine Aufmerksamkeit. Handelte es sich nur um altes Holz oder hatte es mit Absicht seinen Weg in dieses wüste Museum im Kistenkosmos gefunden? Ich nahm das Stück in die Hand- leicht war es und hart. Erde klebte in Vertiefungen und Rissen. Ich fuhr mit dem Daumen über die Kanten im Holz, die raue Oberfläche, hin zur Bruchstelle. Da war mehr gewesen. Meine tastende Spurensuche führte mich zum Ende des Holzes, welches zuerst schmaler wurde und dann zum Schluss in einem kleinen, unförmigen Knubbel endete.
Ich räumte all die Dinge zurück in die Kiste. Aber dieses kleine Holzstöckchen ließ ich nicht los. Zu viel versprach mir seine Maske von verrottetem Material und Dreck. Zurück in der Wohnung meiner Freundin gab ich meinen Fund preis. Ihr Vater klärte mich auf: Ein Trommelstock sei es, aus Zeiten der Völkerschlacht- so zumindest hätte sein Großvater es ihm erzählt. Als die Franzosen sich nach der Niederlage über die einzige Straße nach Weißenfels zurückzogen, drückte ein verwundeter Soldat einem Jungen, dem er begegnete, diesen Trommelstock in die Hand, erfuhr ich. Dieser Junge wurde Vorfahre der Familie meiner Freundin. Das Stück sei eines dieser Erbstücke, die seit Ewigkeiten in der Familie sind, untrennbar mit den Menschen verbunden, aber nie mit zu viel Aufmerksamkeit bedacht. Und aller Jubeljahre stellte irgendwer die Frage nach dem Was und Woher- so blieb die Geschichte über viele dutzende Jahre.
Dieses banale Stück Holz war zu Geschichte geworden. Geschichte, die ich in meinen Händen halten konnte. Der Trommelstock ist für mich Sinnbild für die  Szenerie einer Schlacht: Das euphorisierende Kriegstrommeln vor dem Kampf. Der bewusste Gang in den Tod. Rauch, Pulvergeruch, Schüsse, Schreie. Ein unüberschaubares und undurchdringliches Knäuel aus Leibern und Leid. Dann Stille. Kein siegreiches Trommeln. Der Trommelstock liegt in Teilen auf der Erde zwischen toten Soldaten; zu Füßen der heiligen Barbara. Napoleon ist besiegt. Der Trommelstock ist gebrochen wie das Französische Heer mitsamt seiner Alliierten.

 

Quellen: http://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lkerschlacht_bei_Leipzig Stand: 04.06.3013

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Autor: Saskia Gall

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