Volkswagen Fahrzeugemblem

Artefakte moderner Archäologie

Volkswagen Fahrzeugemblem

⌀: 56 mm
Höhe: 5 mm
Plastik, mit Aluminiumbeschichtung
Fundort: Leipzig
gefunden am 04. April 2011

Ein kreisrundes Stück Plastik, dass als Fahrzeugemblem verwendet wurde. Auf der Vorderseite sind die Buchstaben „V“ und „W“ plastisch hervorgehoben und mit Aluminium überzogen. Die Oberfläche ist mit Kratzern und kleinen Dellen übersät.

Als ich mit meinem Fahrrad die Karl-Liebknecht-Straße überquerte, stieß ich auf etwas, dass meine Aufmerksamkeit dem Straßenverkehr entriss und mich für einen Augenblick völlig vereinnahmte: zwischen einigen Glassplittern blitzte mir ein abgenutztes VW Fahrzeugemblem entgegen. Zum einen erschien mir dieses als geradezu vortreffliches Mahnmal für eine völlig desolate Verkehrs-situation auf einer überstrapazierten Hauptstraße in Leipzig. Zum anderen weckte dieses Fundstück mein Interesse für die Geschichte der Volkswagen AG. Unter welchen Umständen entstand der weltweit mittlerweile dritt größte Automobilkonzern?

Basierend auf einer Entwicklung von Ferdinand Porsche öffnete 1938 das erste Volkswagenwerk in Braunschweig, gefolgt vom Hauptwerk bei Fallersleben. Tief verstrickt in die NS Propaganda sollte ein Kraftfahrzeug etabliert werden, dass großen Teilen der Bevölkerung finanzierbar erscheinen sollte. Um das Riesenprojekt vor dem finanziellen Kollaps zu bewahren wurden ab 1940 ausländische Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge unter widrigsten Bedingungen im Werk beschäftigt. Während des Krieges wurde das Werk zur zentralen Produktionsstätte der Rüstungsindustrie umfunktioniert. Bis zur Kapitulation im Mai 1945 bestand die Arbeiterschaft des Unternehmens zu 85 Prozent aus Zwangsarbeitern. In Auschwitz wurden Häftlinge von Konzernvertretern direkt ausgewählt und in das Werk deportiert. Noch im letzten Kriegsjahr wurden dem Konzern 4000 Häftlinge zur Verfügung gestellt.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Unter-nehmen zunächst von der Militärregierung der Britischen Besatzungszone weitergeführt. Wieder unter deutscher Leitung entwickelte sich der Konzern in den 50iger Jahren zum Paradebeispiel des einsetzenden Wirtschaftswunders in der Bundesrepublik Deutschland. Erst 1998 richtete Volkswagen einen privaten Fond zur Entschädigung der Opfer der Verbrechen des Unternehmens ein. Heute befindet sich im Werk eine „Erinnerungsstätte an die Zwangsarbeit auf dem Gelände des Volkswagenwerkes“.

Wirft man nun einen Blick auf mein Fundstück, dass gezeichnet ist von kleinen Kratzern und Dellen, fragt man sich, ob nicht jedes Fahrzeugemblem von Volkswagen schon in der Produktion mit solcherlei Gebrauchsspuren versehen werden sollte. Die Marke Volkswagen sollte in ihrem Erscheinungsbild nicht makellos glänzen, sondern viel mehr die Spuren der Schuld symbolisch als Bekenntnis zu den Verbrechen der Vergangenheit anbringen. Die Gedenkstätte der Volkswagen AG könnte so auf eindrucksvolle Weise erweitert und in die ganze Welt exportiert werden.

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Quellen:
Wikipedia Artikel der Volkswagen AG, Stand: 20.05.2011

Eichholtz, Dietrich, Das „missbrauchte“ Genie: VW und Naziverbrechen, in der Junge Welt vom 24.5.2003 auf www.judentum.net, Stand: 20.05.2011

Autor: Hille, Felix

Foto: Hille, Felix