Streichholzschachtel

Streichholzschachtel Foto: Becker, Maria
Neustädter Fundstücke

Streichholzschachtel

12 × 50 × 38 mm
Papier, Glasstaub, Phosphor
Fundort: Leipzig, Eisenbahnstraße
gefunden am: 10.05.2012

Am Straßenrand finde ich eine kleine blaue, mit einer Elster bedruckte, Streichholzschachtel. Sie sieht hübsch aus und so stecke ich sie ein, obwohl sie leer ist. Wer stand hier, genau an der Stelle an der ich jetzt stehe und hat sich mit seinem letzten Streichholz eine Zigarette angesteckt? Ich sehe mich um. Gegenüber hängt ein Poster, der Text in kyrillischer Schrift verfasst. Mein Schulrussisch reicht nicht aus, um auch nur zu erahnen wofür es wirbt, doch der Google-Translator sagt:   Es geht um Suchtberatung. Und die Tatsache, dass wohl viele, die vorbeigehen, den Inhalt nicht entziffern können, vermittelt mir den Eindruck dass man mit diesem Problem lieber unter sich ist.

Die Statistiken sagen mir, dass der größte Anteil der in Leipzig wohnhaften Migranten aus der russischen Föderation kommt. Viele von ihnen haben die Neustadt als ihre neue Heimat gewählt, sei es wegen der niedrigen Mieten oder der schon vorhandenen, starken Gemeinschaft russischstämmiger Einwanderer.
Meine kleine Schachtel hat vermutlich einer von ihnen mitgebracht, der kleine russische Laden am Anfang der Eisenbahnstraße zumindest führt diese Sorte nicht. Dafür eine große Auswahl an Süßigkeiten, Getränken und anderen landestypischen Lebensmitteln. Der freundliche Verkäufer hat viel über die Waren zu erzählen, er übersetzt Etiketten für mich und erklärt Besonderheiten. Als ich ihn jedoch frage wie das Leben in der Neustadt ist, speziell der Zusammenhalt zwischen den russischstämmigen Migranten, winkt er ab. Dazu möchte er nichts erzählen, das sei ihm zu privat und er möge das nicht, sagt er, nur soviel, dass er früher in seinem Heimatland als Ingenieur gearbeitet habe. Er macht eine hilflose Geste und sieht plötzlich sehr abgekämpft aus. Ich beschließe nicht weiter nachzufragen und verlasse den Laden. Gern hätte ich mehr erfahren.

Quellen:
Migrationsstatistik Leipzig 2010

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Autor:
Maria Becker

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