Auch ich in Arkadien!

Wie reiste Goethe im 18. Jh. durch Italien? Wie reisten die Menschen im antiken Rom? Briefe, Reisetagebücher, Skizzen – Goethe dokumentierte seine Reiseerfahrungen analog, doch wie wäre er vorgegangen, hätte er damals schon über ein Smartphone verfügt?

Johann Heinrich Wilhelm Tischbein – Goethe in der römischen Campagna (1786/87). [Public domain], via Wikimedia Commons.

„Auch ich in Arkadien!“ – So lautet das Motto unter dem Goethe seinen Reisebericht „Italienische Reise“ (1817) verfasst hat. Darin berichtet er über seine Erlebnisse auf seiner fast 2-jährigen Reise durch Italien (1786-1788). Er bezieht sich in seinem Motto auf die griechische Mythologie, in der Arkadien nicht nur eine Landschaft in Griechenland, sondern der Ort des „Goldenen Zeitalters“, ein Locus amoenus – ein Paradies sei. Demzufolge bestehe das Leben in Arkadien aus glücklichem Hirtendasein in idyllischer Natur. Es stellt ein beliebtes Motiv der Literatur seiner Zeit dar, was Goethes Botschaft an seine Leser unmissverständlich macht: Ich habe das Paradies Arkadien auf meiner Reise gefunden, jedoch nicht in Griechenland sondern in Italien!

Eine Reise wird definiert als die Fortbewegung über eine größere Entfernung von einem Ort zu einem anderen mithilfe eines Verkehrsmittels (DWDS). Die Gründe für eine Reise können so vielfältig sein, wie die Reisenden. Sei es, um Wissen zu erwerben und zu forschen, Kunst und Kultur zu genießen, Erholung zu finden, um Wallfahrtsorte aufzusuchen u.v.m. Schon im Römischen Reich (27 v. Chr.-284 n. Chr.) reisten die Menschen aus unterschiedlichsten Gründen. Rom verfügte über ein ausgedehntes öffentliches Straßennetz (Viae publicae) und vielfältige Transportmittel. In den folgenden Wissenspostern ist ein Vergleich der Reiseroute Goethes mit den Fortbewegungsmöglichkeiten der Römer visualisiert.

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Goethe nutzte die Reise, um seiner dichterischen Stagnation zu entfliehen und neue Schöpferkraft zu tanken. Seine Neugier auf Kunst, Kultur, Natur und Volksleben Italiens formulierte er in zahlreichen Tagebucheinträgen und Briefen. Die Eindrücke, die auf ihn einströmten, inspirierten ihn zur Weiterarbeit an zahlreichen Werken, wie Egmont (1787), Faust. Ein Fragment (1788) und Torquato Tasso (1789). Die bereits in Prosa vorliegende Iphigenie auf Tauris glich er sprachlich dem antiken Inhalt an, indem er den Text 1786 am Gardasee in Jamben umdichtete, dem bestimmenden Versmaß der Antike.

Im Anschluss an seine Reise verfasste Goethe die Römischen Elegien (1790), eine Gedichtsammlung, in der er seine romantischen Erfahrungen während der Romaufenthalte und eine von antiken Dichtern inspirierte Haltung zur Liebe zum Ausdruck bringt.

Nicht nur dichterisch erfährt Goethe in Italien einen Aufschwung. Rom, laut Goethe „Hauptstadt der Welt“, wird für ihn zum Zentrum seines Kunststudiums. Er übt sich bei Künstlern wie Wilhelm Tischbein und Jakob Hackert in Landschaftsmalerei, Anatomie und Perspektive und fertigt insgesamt ca. 850 Zeichnungen an. Die Beschäftigung mit der Antike erfolgt durch die Rezeption zahlreicher Kunst- und Bauwerke. Der Künstler Johann Meyer bleibt auch nach Goethes Italienaufenthalt sein künstlerischer Berater und begleitet ihn zurück nach Weimar, wo er auch unter dem Spitznamen „Goethemeyer“ bekannt wird.

Neapel mit dem Vesuv und Sizilien – von ihm sowohl als „Kornkammer“ als auch „Feengarten“ Italiens bezeichnet – faszinieren den Dichter landschaftlich und wecken seinen Forscherdrang. Neben Mineralogie, Geologie und Zoologie, ist es die Botanik, die den Hauptinhalt seiner Naturforschungen bildet. Er entwickelt die Idee einer „Urpflanze“, die eine einfachste Grundform darstellt, um den individuellen Phänomenen der Pflanzenwelt auf den Grund zu gehen.

Um sich auch als bekannter Dichter ungezwungen in der Öffentlichkeit bewegen zu können, reiste Goethe inkognito: In Deutschland unter dem Namen Johann Philipp Möller und in Italien als Pittore Filipo Miller. Auf diese Weise lernte er das Leben in Italien unverfälscht kennen. Das italienische Volk bezeichnet er als „antikischer“ und das Leben in Italien als von Natürlichkeit, Leichtigkeit und Genussfreude geprägt.

Lebensfreude, Kunstgenuss und Naturerlebnisse mischen sich im Gesamteindruck seiner Italienreise, der von Goethe nur mit dem paradiesischen Arkadien erklärbar ist. Er spricht im Ergebnis seines Aufenthalts von einer persönlichen Wiedergeburt, einer neuen Jugend und der glücklichsten Zeit seines Lebens.


Auch heute reisen Menschen an fremde Orte, besuchen Sehenswürdigkeiten, erleben Kunst, Kultur und Natur und berichten darüber. Anders als zu Goethes Zeit sind Reisetagebücher, Reiseberichte und Briefe nicht mehr die favorisierten Ausdrucks- und Kommunikationsmittel. Auch Handzeichnungen sind zur Konservierung visueller Eindrücke nicht bei jedem Reisenden das Medium der Wahl. Was damals viel Zeit gekostet hat und nur wenigen Menschen zugänglich war, wird heute durch moderne Technik erleichtert.

Fahrpläne, Karten, Navigationssysteme, Broschüren, Tickets, Auskünfte über Öffnungszeiten, Eintrittspreise, Verspätungen, Umleitungen, Empfehlungen u.v.m – Das Smartphone erleichtert uns das Reisen durch eine Vielzahl nützlicher Apps und Funktionen. Auch das Dokumentieren und Teilen von Reiseerlebnissen ist mithilfe von Fotos, Videos und Gifs über diverse soziale Netzwerke innerhalb weniger Augenblicke möglich. Das Smartphone ist unser täglicher Begleiter, unser multifunktionaler Helfer im Alltag und unser Fenster zur Welt.

Wie könnte ein zeitgemäßer Reisebericht aussehen? Eine Foto-Reise durch Leipzig ist auf Instagram einsehbar.

Foto- und Videoaufnahmen halten die Wirklichkeit in Bildern fest. Was wir sehen ist real – so scheint es zumindest. In Tagebüchern oder Reiseberichten werden nur ausgewählte subjektive Sichtweisen wiedergegeben. Die heutigen modernen Medien verhalten sich ganz ähnlich: Das Smartphone öffnet uns der Welt und beschränkt zugleich unseren Blickwinkel. Hochglanzaufnahmen von atemberaubenden Orten, erfolgreichen Menschen und aufregenden Erlebnissen, omnipräsent in sozialen Netzwerken, lassen uns bisweilen an unserem eigenen Leben zweifeln.

Das Smartphone als „Freund und Helfer“ oder „Spiegel einer Traumwelt“?

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Quellen:

  • Der neue Pauly., 1-12,2: Altertum A-Z, 1999-2003 (Nachschlagewerk)
  • Goethe, J.W. Italienische Reise. (Reisebericht)
  • Goethezeitportal
  • Wikipedia