Kronkorken

Artefakte moderner Archäologie

Kronkorken
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Blech/Kunststoff
Fundort: Chemnitz, Schlossteichinsel
Gefunden am 9.April 2011

Kro|nen|kor|ken (auch Kronkorken), der: kreisförmiges Blechstück mit kronenförmigem, bearbeiteten Rand zum Verschluss von Getränkeflaschen.  Kann nur durch ein Hilfsmittel geöffnet werden. Er wurde 1892 als „Clown Cork“ patentiert.

Die letzten ihrer Art

Chemnitz. Die bald älteste Stadt Europas – schon jetzt ist jeder vierte Bürger über 65 Jahre alt. Eine Stadt, die ihrer Jugend keine Zukunft bietet, denn systematisch werden die Gelder für Jugendarbeit gestrichen, Jugendclubs geschlossen, wenn diese nicht in freie Trägerschaft übergehen. Die wenigen Jugendlichen dieser Stadt sind gezwungen, sich anderweitig in ihrer Freizeit zu beschäftigen als üblicherweise in kontrollierten Einrichtungen, welche ihnen bei dem Prozess der Sozialisierung helfen sollten. In dieser Stadt verbrachte ich meine Kindheit und Jugend. Ich musste selbst mit ansehen, wie ein Jugendclub nach dem anderen geschlossen wurde. Es war immer schwieriger, einen neuen zu finden, die Strecken, die zurückgelegt werden mussten, immer weiter. Eines Tages entdeckte ich den Schlossteich als Freizeitangebot. Eine große Gruppe von Gleichaltrigen traf sich hier, die ungezwungen sangen, spielten und tranken. Täglich. Meist Bier, gelegentlich auch Wein oder Schnaps, aber hauptsächlich Bier – bevorzugte Marke: „Sternburg Export“. Aus diesem Grund waren auf der Schlossteichinsel stets Kronkorken zu finden, oder auf dem Weg von der bevorzugten Bierbezugsquelle „Ermafa- Passage“ bis zum „Schlossi“, wie wir den Schlossteich nannten.  Die Steinplatten der Insel waren voller Kronkorken, welche sich mit viel Geduld in den verwitternden Granit fraßen. Den Treffpunkt „Schlossi“ muss es schon seit langer Zeit gegeben haben. Eines Tages kam ein älterer Mann vorbei, der von seiner Zeit von vor 20 Jahren berichtete. Sie taten damals das selbe, meinte er und auch, dass sich nichts verändert zu haben scheint; immer noch wären Jugendliche auf der Insel anzutreffen, immer noch lägen überall Kronkorken herum, immer noch würden Hunde über die Wiese rennen und immer noch würden alle peinlichst genau darauf achten, dass keine Flaschen zerstört würden – den Hunden zuliebe. Es war eine große Gemeinschaft mit eigenen Regeln, die sich selbst half, erwachsen zu werden, sich gegenseitig bei alltäglichen Problemen unterstützte.
Wenn ich heute über die Insel laufe, sehe ich keine Menschen mehr, vielleicht ein paar wenige, die sich zum Sonnen im Sommer auf die Wiese legen – aber keine Jugendgruppen. Es sind kaum noch Kronkorken zu finden, oder sonstige Anzeichen von menschlicher Präsenz auf der Insel. Der „Schlossi“ ist zu einem weiteren leeren Platz in Chemnitz geworden. Nur ein paar vereinzelte Kronkorken, tief in den Steinen oder am Wegesrand vergraben, erinnern an die alte Zeit, als der Schlossteich noch voller Leben war.

Quellen
Wikipedia: Kronkorken
So lebt es sich umgeben von Greisen oder Babys

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Autor
Käschel, Martin