Rezeptionsklingel

Janus Klang

ein Beitrag von Rebecca Meister

Swoosh.

Die Drehtür öffnet sich und der Geruch von frisch gewaschenen Bettlaken, teuren Parfums und gebohnertem Parkett strömt in mein Gesicht. „Hier drin ist es noch schlimmer als auf den Straßen“, wird mir bewusst. Das Foyer ist ein wahrer Sturm der Empfindungen. Menschen. Stimmen. Lachen. Klirren von Gläsern. Ein lärmender Orkan.

Die Rezeption; natürlich leer. Menschen. Wie ich sie hasse. 

Meine Knie zittern. Mein Blick schweift über die sitzenden Köpfe der Gäste und weißen Anzüge der Bedienung. Ich werde unruhig. „Laut. Sehr laut ist es hier.“ 

Ich konzentriere mich über den Lärm des Foyers hinweg auf die silberne Klingel, die auf dem Tisch steht. Eine Rettung aus diesem Menschenhorror. Sie glitzert mir schimmernd Hoffnung entgegen. Eine kleine blinkende Rettungsboje.

Schwindel.

Der Raum kippt ein wenig nach links. Ich fixiere die Klingel. „Woraus sie wohl ist? Silber? Messing?“ Ich kenn‘ mich nicht aus. Ich stelle mir vor, wie ich auf den Knopf haue und der Kolben in Inneren der Glocke gegen die Wände scheppert und ein helles Pling! ertönt. Ich komme der Klingel mit jedem Schritt näher. Der ganze Raum wird in ihr gespiegelt. Ich werde gespiegelt. Sie sieht alles. Jedes noch so kleine Detail hat sie im Blick. Sie tut mir irgendwie Leid.

Ich stehe vor ihr, betätige die Klingel und „Pling!“, ruft Menschen; einen. Ich atme. „Einen Menschen, der mir helfen wird, lediglich einer. Der mir einen Schlüssel reicht und mich auf ein leises, dunkles Zimmer verweist. Ich muss nicht viel reden. Die Person ist bestimmt nett.“

Pling!

„Wie ich dieses Geräusch hasse. Dieses grelle: Pling!“ Es durchdringt meine Ohren. „Menschen.“

Ich falte das Handtuch zusammen und drehe mich zu der grünen Tür. Dahinter: ein Mensch. Schlimmer-ein Gast; ein Anspruch; eine Forderung. Hinter dem Grün warten Erwartungen darauf erfüllt zu werden. Das Gästebuch. Der Laptop. Arbeit. Und die gelben Handtücher warten geduldig hinter der weißen Tür, auf dieser Seite. Auf beiden Seiten Aufgaben, Ansprüche an mich. Kleine Aufgaben, ja, aber dennoch könnte ich weinen.

Ich bin’s Leid durch dieses Geräusch gerufen zu werden. Als ich anfing hier zu arbeiten fand ich die Klingel irgendwie schick; elegant, altmodisch. Mittlerweile nervt sie mich nur noch. Jedes Mal, wenn das grelle Pling! ertönt, werde ich mir meiner Nichtigkeit bewusst. Mir wird bewusst, dass ich ersetzbar bin. Die Klingel ruft, ich komme. Sogar die verdammte Klingel scheint wichtiger für das Laufen dieses Hotels zu sein als ich. Herrje, ich höre sie sogar schon im Schlaf. Sie verfolgt mich.
„Wollen wir nicht eine weitere Person einstellen? Speziell für die Rezeption?“, „Könnten wir nicht eine elektronische Klingel installieren?“ Abgelehnt. 

Ich hatte schon überlegt die bescheuerte Klingel im Fluss zu versenken. „Gestohlen,“ würde ich behaupten, „von einer alten Dame“. Sie habe eine Perlenkette getragen, einen großen rosa Hut.
Stattdessen thront die Klingel auf den Tresen und spiegelt meine Irrelevanz wieder. Ich schlage die grüne Tür auf und lächle.

Pling!

Sie stehen sich gegenüber. Die Eine genervt, die Andere unruhig.  Die Klingel spiegelt die Beiden verzerrt wieder.

„Guten Tag, …“

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