Rostiger Nagel

Neustädter Fundstücke

Rostiger Nagel

Länge: 80mm, Durchmesser: 6mm
Material: Eisen
Fundort: Neustädter Markt Leipzig, Kirche zum Heiligen Kreuz
gefunden am: 15.04.2012

rostig, krumm, alt- der Werdegang eines Nagels, der die Bretter der Welt erobert und die Welt in ihrem Ganzen zusammen hält. Was hat er gesehen? Was kann er uns berichten? Was hat er einmal zusammen gehalten?

Ein alter, verrosteter Nagel – umgeben von morschem Holz- in sich gekrümmt und nutzlos. Mitten im Gebüsch vor den Toren der Kirche zum Heiligen Kreuz im Leipziger Stadtteil Neustadt- Neuschönefeld. Ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten – doch mit ureigener Geschichte. Wo mag er hingehört haben, was hielt er zusammen? Womöglich gar eines der Türbretter der Kirche?
Die im Herzen der Neustadt befindliche evangelisch- lutherische Kirche zum Heiligen Kreuz prägt das Antlitz dieses noch jungen, jedoch stetig wachsenden Ortsteils im Osten der Stadt Leipzig. Nach Erlangung der kirchlichen Selbstständigkeit wird die neoromanische Kirche 1893/94 erbaut und schließlich am 31.10.1894 feierlich eröffnet. Hielt zu diesem Zeitpunkt der Nagel möglicherweise bereits eines der Türbretter der Kirche oder wurde er viel später verwendet? Wer schlug den Nagel in eines der Bretter? Ein fleißiger Bürger? Ein Arbeiter? Imposant mutet dieser, sich mitten auf dem Neustädter Markt befindliche rötliche Ziegelbau an. Dem Namen entsprechend trägt die Kirche die Form eines lateinischen Kreuzes. Ursprünglich liegt der Haupteingang im Westen, durch den man über die Brauthalle in das Kirchenschiff gelangt. Heute wird sie über den Eingang von der Hedwigstraße betreten. An der südlichen Seite des Kirchenschiffes befindet sich der Turm. Geschmückt wird er durch drei Kreuze an den Wänden: ein altes verwittertes, gußeisernes Turmkreuz, ersetzt durch eine Nachbildung aus Edelstahl und zwei Giebelkreuze aus Rochlitzer Porphyr, ebenfalls durch Nachbildungen ersetzt. Der Glockenturm mit 67,5 Metern Höhe besitzt ursprünglich drei Glocken, wovon zwei 1917 als Kriegsmaterial abgeliefert werden und gleich an Ort und Stelle zerlegt werden. Über dem Altarraum eine Gewölbedecke, während der Innenraum von einer braun gebeizten, teils farbigen Holzdecke überspannt wird. So hat die Kirche eine sehr gute Akustik. Die Ausstattung der Kirche sowie das Gestühl stammt weitestgehend noch aus der Erbauungszeit der Kirche und zeigt freien Umgang mit romanischen Formen. Auf gußeisernen Säulen befindet sich die hölzerne Empore, die von drei Seiten den Innenraum der Kirche umschließt. Altar, Kanzel, Lesepult und Taufstein gehen alle auf Entwürfe von Rudolph Cöllner zurück und wurden in französischem Kalkstein, Rochlitzer Porphyr und Sandstein ausgeführt. Die Orgel, 1894 vom Bautzner Orgelbaumeister Hermann Eule mit 32 Registern auf zwei Manualen und Pedal erbaut, ist die einzige noch spielbare Kegelladenorgel Leipzigs. Die ursprünglich farbigen Altarfenster wurden bei Bombenangriffen im zweiten Weltkrieg zerstört und später durch einfache farbige Glasfenster ersetzt. Vor der Kirche befindet sich eine Gedenktafel an die gefallenen Gemeindemitglieder des ersten Weltkrieges. 725 an der Zahl. Vor allem junge Männer von 20- bis 26 Jahren. Beobachtete der Nagel womöglich die Wirrungen und Verirrungen des ersten Weltkrieges und die Aufbauarbeiten nach Ende des zweiten Weltkrieges?
Seitdem ist viel Zeit vergangen, das Gesicht des Ortsteils hat sich wiederrum gewandelt. Neustadt seit jeher ein Stadtteil der Einwanderer und Neuankömmlinge- stetiger Wachstum . Neustadt mit seiner berüchtigten vielbefahrenen Eisenbahnstraße, dem Wohnungsleerstand, der hohen Arbeitslosigkeit, den Dönerbuden und Fastfoodläden- ein kleines Viertel in Bahnhofsnähe. Vielfalt der Kulturen- Einfalt des Lebens? Nicht ganz. Es wirkt eher großstädtisch mit seiner Moschee in der Hermann- Liebmann- Straße, den Kunstprojekten im Pögehaus, dem Kunstgarten und Park „Rabet“. Die Neustadt atmet. Sie pulsiert und strebt empor und schafft es doch nicht ganz nach oben.
Dies alles konnte der verrostete gekrümmte und vergessene Nagel im Laufe seiner Zeit vielleicht beobachten im Schatten der Kirche zum Heiligen Kreuz, im Zentrum der Neustadt, im Herzen der Welt. Was mag die Zukunft für ihn bereithalten? Was er erlebt hat, lässt sich nur mutmaßen, wo er hingehen wird und was er vielleicht noch erlebt, bleibt im Geheimen. Doch wichtig ist und bleibt- er ist ein Stück Zeitgeschichte- er erzählt die Geschichte der Kirche zum Heiligen Kreuz.

Quellen:
Ev.- Luth. Kirche zum Heiligen Kreuz Leipzig

weitere Links:
Wikipedia :Nagel
Download Objektbeschreibung

Autor:
Carolin Feuer

Neustädter Fundstücke