Portugiesische Sardinendose

Artefakte moderner Archäologie

Portugiesische Sardinendose

100 x 20 x 50 mm
rostiges Metall
Fundort: São Romão, Portugal
Gefunden im April 2007

So rostig und alt sie auch sein mag, diese kleine Sardinendose ist dennoch ein interessantes Zeugnis für die Lebensweise der einsamen Schäfer aus der portugiesischen Serra da Estrella.

O Pastor…

Seit nunmehr fast fünf Jahren zieht diese Sardinendose mit mir von Wohnung zu Wohnung, von Stadt zu Stadt und wurde auch selbst schon zur Herberge von etlichen kleinen Gegenständen- zuletzt von einem knallbunten Feuerzeug mit Marienmotiv.

Gefunden habe ich sie in dem höchsten Gebirge Portugals, der Serra da Estrella, wo ich nach meinem Abitur ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer Einrichtung für geistig behinderte Menschen absolvierte.

An einem der wahrhaft heißen Frühlingstage, welche uns schon im April nach dem Meer sehnen ließen, beschloss ich, mit einer Gruppe von acht Companheros eine kleine Wanderung zu machen. Ich hatte an diesem Samstag Dienst und war nicht zuletzt wegen des lockenden Gebirgssees hoch motiviert, den Aufstieg zu wagen.

Bei einem der seltenen Touristenattraktionen- der Cabeça da Velha (Kopf der Alten)-  in dieser sonst eher kargen Gegend machten wir eine Rast. Und da fand ich sie: etwas versteckt unter Gras und trockenem Geäst lugte ein türkisfarbenes Metallstück hervor. Neugierig geworden, schob ich mit den Händen die Reste vergangener Bergbotanik zur Seite und zog mit wachsendem Staunen diese Sardinendose hervor.

Ihr rundliches Äußeres erinnerte mich an das Design der 60er Jahre, ihre rostige Patina weist ebenfalls auf einen dieser Jahrgänge hin. Was all den klimatischen Extremen dieser Gegend wie glühender Sonne im Sommer und Regen und Schnee im Winter dennoch all die Jahre stand gehalten hat, sind Reste eines wunderschönen, leuchtenden Türkis auf der Oberseite. Etwas von der Erde freigelegt, kam dieser Farbkontrast aus Rostrot und Türkisblau erst richtig zur Geltung.

Die Begeisterung für dieses Objekt hielt sich bei den anderen Rastenden in Grenzen: ich solle doch keinen Müll aufheben, die ist ja total kaputt oder aber Igittigitt und Pfui, die hat doch ein Schäfer hier liegen lassen (dieses Ferkel)…

Dieses war der entscheidende Anstoß für mich, der Dose eine Geschichte zu geben: das ein einsamer Schäfer, wie es sie in dieser Gegend tatsächlich seit jeher gab und auch immer noch gibt, vor langer Zeit eine ebensolche Rast an dieser Stelle gemacht hat und die Reste seiner Wegzehrung im Gras hat liegen lassen. Anschließend zog er mit seinen blökenden Gefährten weiter hinauf, um neues Weideland zu erschließen.

Die sogenannten Pastores spielen in dem kleinen Örtchen São Romão eine herausragende Rolle. Schon bei meiner Ankunft in dieser fremden Gegend wurde ich an der Bushaltestelle durch ein großes steinernes Denkmal begrüßt, welches einen überdimensionalen Schäfer  in Begleitung seines Hütehundes darstellt.

In jedem zweiten Laden können hier Produkte erworben werden, welche entweder aus Schafleder-, Wolle oder Schafsmilch hergestellt wurden. Mäntel, Mützen, Käse oder die berühmten Hauspantoffeln- Die Schäfer sorgen in dieser Gegend nicht nur für warme Füße, sondern auch für das wirtschaftliche Überleben.

In ganz Portugal ist die Textil-, Bekleidungs- und Lederindustrie immer noch der größte Exportsektor, wenn auch mit fallender Tendenz. Die Produktionszentren konzentrieren sich vor allem auf den Norden und das Landesinnere, wo sich das Gebirge der Serra da Estrella mit seinen unendlichen Weidemöglichkeiten für die Schafe erstreckt.

Auch in dem kulturellen Leben spielen die Schäfer eine große Rolle. Nach wie vor führen sie ein Leben, welches dem vergangener Jahrhunderte recht ähnlich ist:  wochen- wenn nicht gar monatelang ziehen sie allein mit ihren Schafen durch das Gebirge, abgeschieden von jeglicher Zivilisation und Sinnesfreude. Kehren sie dann schließlich in ihr Heimatdorf zurück, so wird aus der Einsamkeit frohe Gemeinschaft. Es werden die berühmten Rancho Tänze getanzt, Musik gespielt, deren Inhalte oft auch von den Unwegsamkeiten und Sehnsüchten im Leben eines Schäfers handeln und natürlich Gegessen und Getrunken.

Denn eines wissen sie alle: der nächste Aufstieg kommt bestimmt und dann gibt es wieder wochenlang  nur trocken Brot und Sardinen aus der Dose…

Literatur:

Bornhorst, Fabian: Die Wirtschaft Portugals im Überblick. Grundlagen, Daten, Zusammenhänge, Perspektiven, in: Dietrich Briesemeister, Axel Schönberger (Hg), Portugal heute, Politik, Wirtschaft, Kultur, Frankfurt am Main 1997, S. 15- 94.

Links:

Zum Rancho: https://www.youtube.com/watch?v=kxjWSs2fU1c&feature=related

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Autor

Wulsten, Eva