Nippes, Kupfer, 4,5x5cm
Jeder Gegenstand, egal wie nichtig oder nutzlos er ist, hat einen Weg hinter sich. Ob dies jetzt ein Produktionsweg, Benutzungsweg, Verarbeitungsweg oder ähnliches ist. Wenn ein Gegenstand in unseren Händen landet, hat er schon etwas gesehen. Wir hinterfragen das meistens nicht, sehen uns nicht die Biografie eines Objektes an.
In meiner Kindheit bin ich bzw. meine Eltern auf ein Objekt gestoßen, bei dem man sich zwangsläufig fragen muss: Was? Warum? Wer? Woher kommt es? Wofür existiert es?
Der filigrane Gegenstand wurde 2003 von meinen Eltern aus der Erde unseres neu angelegten Gartens gebuddelt, dabei wurde für mich ein Stück Antike wieder an die Erdoberfläche geholt. In meinen Augen war das Objekt nicht mit Rost und Erde überzogen, sondern von einer Patina, wie sie bei Bronzeskulpturen der Antike auftritt. Anstatt einer simple Darstellung des Sexualaktes zwischen zwei Personen, zollte es von den Handlungsbeziehungen zwischen den Römern und Germanen. Es könnte auch eine Grabbeilage eines Germanenfürsten sein oder eine Errungenschaft aus den Plünderungen der umliegenden Römerkastelle. Ganz abwegig waren diese Gedanken nicht, denn mit zwei antiken Orten des UNESCO Kulturerbes in der Nähe, dem Römerkastell Saalburg und dem Limes, liegt der Fundort Usingen in der ehemaligen Grenzregion zwischen dem römischen Reich und Germanien.
Zu dem Zeitpunkt des Fundes war ich 8 Jahre alt. Meine Familie war ein Jahr zuvor in das Usinger Land gezogen und ich war von der Präsenz der Antike in der Region überwältigt. Neben Limeswanderwegen, Limesradwegen, Römerführungen oder Kastellrundgängen, gab es auch viele Aktionen für Kinder. Besonders eingebrannt hat sich der Auftritt eines komplett eingekleideten römischen Legionsadler-Trägers (Aquila) bei einem Stadtfest.
Für meine Eltern war der Fund eher ein Anlass herauszufinden, was sich vor der Häuserreihe an unserem Wohnort befand. Durch ein paar Gespräche fand mein Vater heraus, dass früher auf der Brache ab und an Wohnwägen oder Pommesbuden standen.
Bei genaueren Begutachten des Gegenstandes kann man einen Schriftzug ausmachen, der mit „Made in Indonesia“ klar macht, dass der Gegenstand kein Relikt aus der Antike ist. Bei einem Gespräch über unterschiedliche Objekte erkannte jemand das Fundstück als einen noch heute kaufbaren Schlüsselanhänger wieder.
Ob nun Nippes aus der Antike oder der näheren Vergangenheit, für mich wird das Objekt immer für einen archäologischen Fund meiner Eltern stehen. Für die genauere Recherche bin ich wieder an Orte meiner Kindheit und der römischen Geschichte in der Region gefahren.