Violettes Glasgebilde

Artefakte moderner Archäologie

Violettes Glasgebilde
3×15 x 15 mm
farbiges Glas
Fundort: Sandvatnet (See), Norwegen
gefunden im Sommer 1997

Das münzenartige Glasobjekt mit seinem trüb-violetten Farbton und dem gänseblümchen- oder sonnenartig ornamentierten Innenring ist sowohl Urlaubsandenken als auch ein persönlicher Glücksbringer, dessen Fundgeschichte einige Jahre zurückliegt.

Heute befindet sich das, von der Größe mit einer Ein-Euro-Münze vergleichbare Fundstück die meiste Zeit in einer Blechschachtel verwahrt, zwischen allerlei anderem norwegischem Fundgut zahlreicher Reisen wie Eisbrockensteinen, verschiedensten Muschelschalen, von der See geschmeidig geformten Strandholzstücken oder der verlorenen Wolllocke eines Hochgebirgsschafes.
Im Sommer 1997 führte uns der Familienurlaub in skandinavische Gefilde, genauer: in das kleine Dörfchen Tau nahe der für ihr Erdöl bekannten Stadt Starvanger. Trotz des schönen Freienhauses unternahmen wir täglich Ausflüge zum Erkunden des meist menschenleeren Hinterlandes, durch Gebirgszüge, Tunnel und Moorlandschaften, vorbei an Gletschern, Abgründen, Wasserfällen und kilometerlangen Seen. An einem solchen See, dem Sandvatnet, machten wir eine ausgiebige Rast. Klar und dunkel lang die spiegelnde Wasseroberfläche vor mir. Ich zog Schuhe und Strümpfe aus, krempelte mir die Hose hoch und setzte einen Fuß in das eiskalte Wasser. Nachdem der erste Schock überwunden war, ging ich einige Meter in den auffällig flachen See hinein, wobei der feinkörnige Ufersand angenehm runden und bunt gefärbten Kieseln wich. Als ich hinab in das Wasser zu meinen Füßen schaute, erblickte ich jene „Glasmünze“. Ihre Oberfläche war matt, wahrscheinlich durch den Sand des Sees.
Bis heute konnte nicht geklärt werden, welchem Zweck dieser besondere Gegenstand diente. Weder das Internet noch die befragten Antiquare und Münzspezialisten wussten Antwort. Man könnte vermuten, dass früher Kinder solche Medaillons, quasi als Spielgeld, in ihrem Kaufmannsladen hatten. Ebenso könnte es Teil eines Schmuckstückes gewesen sein, Spielstein eines Brettspiels oder Linse eines Kaleidoskops. Denkbar ist ebenfalls, dass es sich um einen echten Talisman handelt, der, eng am Körper getragen,  seinem Träger zu Glück in bestimmten Lebensbereichen verhelfen soll und einzig für diesen Zweck hergestellt wurde. Wie er in den See gelangte, kann man nur erahnen. Vielleicht warf ihn jemand über seine Schulter in das Wasser und wünschte sich etwas oder wollte den wirkungslosen Talisman los werden. Einer Badenden könnte das hübsche Gebilde im See verloren gegangen sein. Schwer lässt sich das Alter des Artefakts schätzen. Ich vermute, es ist Anfang des 20. Jahrhunderts einzuordnen.
Nachdem das Objekt nun die letzten 14 Jahre fast durchgängig in oben beschriebener Schachtel sicher sein Dasein fristete, wurde es zum Zwecke der Ausstellung zu den „Artefakten moderner Archäologie“ von mir als würdiger Vertreter erwählt. Ans Licht geholt, mit einem Sockel versehen, auf eine Nadel montiert, fotografiert, oft von einem Ort zum anderen transportiert und somit dem Chaos ausgeliefert, trat das scheinbar unvermeidliche ein, als beim Lebensmittelverstauen im Supermarkt die kleine Papiertüte mit der kostbaren Fracht einfach stehen gelassen wurde! Erst als ich die Türklinke zur Wohnung betätigte, wurde mir das Unglück mit heißen panischen Rauschen in den Ohren bewusst: Wie konnte ich nur! Mein unersetzlicher Schatz! Sofort verfolgte ich die Stationen meines städtischen Aufenthaltes akribisch zurück- vielleicht steht die Tüte noch im Einkaufsmarkt? Doch da stand sie nicht. Dennoch ließ ich mich nicht entmutigen und fragte eine der Verkäuferinnen hinter der Kasse, ob da nicht eine Papiertüte abgegeben worden sei. Da sah ich schon, ihr über die Schulter lugend, meine von zänkischen Drehstuhlattacken ramponierte geliebte Tüte in ihrem Fußraum knietschen! Gerettet- die schöne violette Kostbarkeit ist in meine Hände zurückgekehrt und bleibt hoffentlich vorerst dort. Aber wer weiß, welche Wege das münzenartige Gebilde in seiner unverwüstlichen Kompaktheit und Beständigkeit in vielen, vielleicht hunderten von Jahren noch zurücklegen wird…

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Autorin

Wolff, Nora