Milchpulver

Artefakte moderner Archäologie

Milchpulver
37 x 70 x 37 mm
Glas, Milchpulver
Fundort: Zeughaus Leipzig
gefunden im April 2011

Dieses kleine Fläschchen enthält ein unscheinbares weißes Pulver. Gefunden im Leipziger Zeughaus, erzählt es eine Geschichte, die ein ganzes Volk in Angst versetzte.

Nicht immer ist das drin, was draußen dran steht

Oft sind es die kleinen Dinge, die einem Menschen zu großem Ruhm verhelfen. Im Jahre 1867 entwickelte Henri Nestlé ein Milchpulver, das als Muttermilchersatz für Säuglinge dienen sollte und wurde somit zum Begründer des größten Lebensmittelkonzerns der Welt. Mit seinem Firmensitz in der kleinen Schweiz beschäftigt das Familienunternehmen heute mehr als 276.000 Mitarbeiter. Die Produktpalette umfasst verschiedene Kaffee und Teesorten, Mineralwasser- und Kakaoprodukte, Fleisch- und Wurstwaren und eine große Palette an bekannten Süßwaren-Marken. Auch Tiernahrung und bekannte Diätprodukte gehören mittlerweile zum Angebot des Konzerns. Doch bis zum heutigen Tage hat sich die Firma der Babynahrung und den Milchprodukten verschrieben, durch welche er vor fast 150 Jahren seinen weltweiten Bekanntheitsgrad erlangt hat.

Aufgrund der Herstellung des Milchpulvers spricht man auch von Trockenmilch, die durch ein spezielles Verfahren aus Vollmilch hergestellt wird.

Einer der größten Vorteile ist die Lagermöglichkeit über einen längeren Zeitraum hinweg. In Papiersäcken sind sie bis zu sechs Monaten haltbar. Außerdem ergeben sich geringe Lagerkosten durch den minimalen Platzbedarf. Eine Lagerung in Tanks und Kühlung ist nicht von Nöten. Hieraus ergeben sich die guten Transportmöglichkeiten des Milchpulvers, ein weiterer Vorteil ist, dass man in deutlich kürzerer Zeit mithilfe von Wasserkochern heiße Milchgetränke (z. B. Heiße Schokolade) zubereiten kann.

Doch seit ein paar Jahren liegt ein dunkler Schatten auf dem weißen Gold. Die Produzenten gierten nach immer mehr Profit und schreckten nicht vor schier unfassbar schrecklichen Produktionsverfahren zurück.

Bei der industriellen Herstellung verliert das Pulver an wichtigen Vitaminen. Da es oft als Grundstoff für Instant- Babynahrung verwendet wird, kamen 2008 einige Molkereien auf die Idee, ihre Milch mit Melamin zu panschen, um so einen höheren Proteingehalt und eine bessere Qualität vorzutäuschen. Dieser Skandal bewegte die ganze Welt.

Milchpulver wurde viel in Krisengebieten eingesetzt und so begann das Drama in der Armutsprovinz Gansu. Die ersten zwei der mindestens sechs verstorbenen Kinder verendeten hier im Mai und Juli qualvoll an Nierensteinen. Beide waren nicht einmal ein Jahr alt geworden. Rund 300 000 Säuglinge und Kleinkinder sind durch das giftige Babymilchpulver an Nierenleiden erkrankt.

Die Eltern der Kinder wollen wie tausend andere auch Prävention, gesunde Kinder und das die Verantwortlichen für diesen Skandal zur Rechenschaft gezogen werden. „Unerträglich langsam und oft nur durch Initiative Einzelner wird klar, dass diese Krise das Ergebnis von Geldgier und Korruption ist, befeuert durch das unkontrollierte Wachstum im Boomland China. Und so kommt nach der Angst um die Babys jetzt die Wut.“[1] Über das Internet erhielten die zornigen Eltern unerwartet Hilfe. 73 Anwälte meldeten sich mit ihren eigenen Telefonnummern und Adressen. „Sie wollen als „freiwillige Anwaltsinitiative“ die Eltern beraten, wie sie die Milchkonzerne auf Schadenersatz und die Behörden wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht verklagen können.“[2]

Melamin wird normalerweise bei der Herstellung von Kunst- und Klebstoff verwendet. Durch die schlechten Kontrollinstanzen der chinesischen Lebensmittelindustrie und der chinesischen Ein-Kind-Familienpolitik bekommt die unzumutbare Zurückhaltung der chinesischen Regierung einen sehr faden Beigeschmack.

Mit allen Mitteln wurden die Waren sofort aus dem Handel zurückgezogen. Doch trotz aller Bemühungen folgte eineinhalb Jahre später der nächste Skandal. Offenbar wurde belastetes Milchpulver weiterhin eingelagert und gelangte so weiterhin unter die Menschen. Die China Daily berichtete von der Inbeschlagnahme einiger Lieferungen dreier großer Hersteller. Nach dem Skandal 2008 hätten die Verantwortlichen das Pulver auf Melamin testen müssen, dies blieb allerdings aus. Die betroffenen Unternehmen zeigten sich wenig reumütig und bauten auf ihre lukrativen Kontakte mit Regierungsvertretern.

Die Regierung versuchte viel zu spät Herr der Lage zu werden und somit mussten unnötig viel zu viele Kinder sterben. Dutzende Anwälte unterstützen die Betroffenen und auch die Medien wurden aufmerksam und stellten sich dem staatlichen Druck entgegen. Sie verlangten Erklärungen warum der Skandal so lange unter Verschluss gehalten wurde, der für viele Unternehmen den Bankrott bedeutete. Ein Grund sollen die Olympischen Spiele 2008 gewesen sein.

21 Verantwortliche wurden bisher vor Gericht gestellt und verurteilt. Zwei wurden im November hingerichtet. Beide waren wenige Monate zuvor von einem Gericht in der nordchinesischen Stadt Shijiazhuang zum Tode verurteilt worden, nachdem sie in einem Berufungsverfahren scheiterten. Die Richter befanden sie für schuldig, Giftstoffe hergestellt und vertrieben zu haben, die später in das Milchpulver gerieten. Einer der Männer war für schuldig befunden worden, zwischen Juli 2007 und August 2008 mehr als 770 Tonnen mit der Industriechemikalie Melamin versetztes Proteinpulver produziert und verkauft zu haben. Der Zweite wurde zum Tode verurteilt, weil er verseuchte Milch verkauft hatte. In dem Skandal, der 2008 wegen der Olympischen Spiele monatelang vertuscht worden war, waren insgesamt 22 Milchunternehmen beteiligt.

Auch wenn wir, in unserer heutigen Zeit, nicht immer wissen, was sich in den Produkten befindet, können wir nur hoffen, dass wir auch in Zukunft der Lebensmittelindustrie weiter Glauben schenken können.

Quellen:
Links:

[1], [2] www.welt.de Stand: 02.05.2011

Utopia- Die zehn größten Lebensmittelskandale Stand: 27.04.2011

www.taz.de Stand: 27.04.2011

www.n-tv.de Stand: 02.05.2011

wikipedia Stand: 27.04.2011

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Autor:
Katarina Kropp