Gehäckseltes Aststückchen
70 × 10 × 10 mm
Holz
Fundort: Neustädter Straße 20/Ludwigstraße
Funddatum: 18.04.2014
Querbeet durch die Neustadt.
Ein „Ort der Begegnung mit der Natur und dem Menschen“
vs. „Neustädter Hundeklo und griesgrämige Nachbarn“.
Der Duft von jungem Holz liegt in der Luft. Eine Prise erfrischenden Sommerregens weht mir um die Nase, die Vögel zwitschern. Als ich mich umsehe, entdecke ich die Quelle jenes Sinneserlebnisses – 1000 kleine Holzstückchen, die sich zu einem beachtlichen Haufen frisch gehäckselten Holzes emportürmen, Überbleibsel eines schönen Frühlingsrituals, dem das Erwachen und Wachsen allen Grüns folgt. Doch halt, etwas fehlt — wo sind die Sträucher? Wo die Bäume? Wo der Garten, dem dieses Ritual dienen soll?
Ach, da ist er ja. Durch einen dicken hohen Holzzaun lassen sich eine Wiese, ein paar Gartenwerkzeuge, Sträucher und vielleicht sogar Beete erahnen. Vielleicht. Unerlaubt eindringen wollte ich nun nicht unbedingt, nur um zu sehen, was sich hinter diesen Mauern verbirgt.
A propos: Da hängt er auch schon. Ein Aufruf, die aus dem Garten gestohlenen Dinge wieder zubeschaffen.
Was es hier noch gibt? Ich mache mich mal auf die Suche. Da hätten wir z. B. das „Neustädter Hundeklo“. Wird das tatsächlich benutzt? Wie vermutet befindet sich darin bis auf eine große leere Plastetüte nichts.
Mal schnell nachgegoogelt: Aha, dies eingegrenzte Fleckchen soll also ein „Ort der aktiven Auseinandersetzung mit gesellschaftsrelevanten Themen wie Kommunalpolitik, lokale und globale Lebensmittelversorgung, Umweltbildung und Umweltschutz“ sein. Hmm, so einen Ort hatte ich mir irgendwie immer anders vorgestellt. V. a. schwebte mir keine menschenleere eingezäunte Insel inmitten argwöhnisch beäugender Nachbarn vor. Oder vielleicht doch? Ist genau dies der ideale Platz, um wichtige Gedanken, Debatten und Gespräche anzukurbeln?
Ein „Ort der Begegnung mit der Natur und dem Menschen“ soll das auch noch sein. Okay, fragen wir doch mal die griesgrämigen Nachbarn, die uns sowieso schon die ganze Zeit beobachten. „Nee, keine Ahnung, was das da sein soll.“ „Querbeet? Ja, das steht glaub´ ich auf dem Zaun da.“
„Manchmal kommen hier so ein paar Jungspunde und feiern da irgendwelche Parties.“ Hmm, ja danke. Also so richtig scheint das Prinzip in der Nachbarschaft ja irgendwie noch nicht angekommen zu sein. Wilde Parties? Damit könnte das Frühjahrspflanzen mit anschließendem gemeinsamen Essen gemeint sein.
„Offener Garten“. „Barrierefrei“. Wer genau weiß eigentlich davon? Eine große Auskunftstafel habe ich an dem Zaun nicht gesehen. Wer also ist wirklich eingeladen, hier mitzuwirken? Die Omi von nebenan googelt wahrscheinlich nicht mal schnell „Querbeet“, den einzigen Hinweis an der Einzäunung dieses sonderbaren Fleckchens. Die Gedanken „Nachbarschaftsgarten“, „Gelebter Umweltschutz“ und „Ort der Begegnung“ vs. „Ausgrenzung“, „Vermüllung außerhalb dieser Grenze“ und „Unwissenheit“ zwingen sich einem unwillkürlich auf.
Hier wurde eine Oase geschaffen, keine Frage. Ein Ort des Wohlgefallens und der Einigkeit. Doch wird einem die große Ambivalenz direkt vor Augen geführt, betrachtet man genauer die Umgebung. Links vom Zaun: Gemeinschaft, Eintracht und Harmonie – rechts davon: Missmut, Not und Kriminalität.
Fazit: Zum Teufel damit? „Aus kleinem Anfang entspringen alle Dinge.“ (Cicero)
Weshalb also das aufhalten, was sich erst im Anfang der Entwicklung befindet und aus dem Großes werden könnte? Da bekanntlich schon der Anfang die Hälfte des Ganzen ist, warum dann jetzt aufgeben, nur weil kein Mensch das Hundeklo benutzt und ein paar Sachen geklaut werden? Dann doch lieber „Anfangen im Kleinen, Ausharren in Schwierigkeiten und Streben zum Großen.“ (Friedrich Alfred Krupp)
All diese Gedanken vereint das kleine unscheinbare gehäckselte Aststückchen aus dem großen Holzhaufen in sich. Hoffen wir also, dass dem begangenem Frühlingsritual nicht nur das Erwachen und Wachsen allen Grüns, sondern auch eines neuen Umgangs mit direkten, wie auch entfernt lebenden Nachbarn folgen wird.
Literatur- und Quellenverzeichnis
Informationen zu „Querbeet“
Zitate 1
Zitate 2
Autor
Johanna Claßen