Feuerzeug
245 × 815 × 95 mm
Plastik, Metall, Butangas
Fundort: Konradstraße 27
Funddatum: 27. April 2014
Beim Entkernen eines Kellers mit einer Freundin stieß ich auf das Feuerzeug. Der Vormieter wurde im Zuge von Ermittlungen zur Kinderwagenbrandserie mehrfach verhört und zog nach Anfeindungen und Spannungen in der Nachbarschaft in einen anderen Stadtbezirk um.
Neustadt-Neuschönefeld gilt vielen als eines der Problemviertel im Osten der Stadt. Durch Drogenkriminalität, verfallene Häuser und einen hohen Ausländeranteil hatte der Bezirk lange einen Ruf als sozialen Brennpunkt. Seit mehreren Jahren setzt ein Wandel ein. Viele Kreative schätzen die Offenheit und den Raum für Veränderung. Durch Initiativen, Vereine und Förderung der Stadt ist das Viertel zu einem Ort des Zusammenwachsens und guter Nachbarschaft geworden.
Durch regelmäßige Veranstaltungen wie dem „Neustädter Frühstück“ entsteht eine Atmosphäre der Toleranz, der Begegnung und des Zusammenhalts unter den Nachbarn.
Leider gibt es immer Geschehnisse die dem entgegenschlagen und Misstrauen auslösen. So auch eine besondere Serie von Brandstiftungen. Über mehrere Jahre hinweg wurden im Leipziger Osten Kinderwagen in Hausfluren angezündet. So auch im März 2014 in der Bernhardstraße. Durch das beherzte Eingreifen eines Mieters konnte ein Großbrand verhindert werden, doch geblieben sind Gefühle wie Angst, Ohnmacht und Misstrauen.
Gute Nachbarschaftsverhältnisse werden in Frage gestellt.
Ist der Mensch, der jeden Morgen beim Bäcker so freundlich lächelt der, der er vorgibt zu sein?
Wer ist mein Nachbar wirklich? Kenne ich ihn überhaupt?
Diese Fragen stellte sich auch eine Freundin von mir nach ihrem Einzug in die Konradstraße 54. Als wir in einer großen Räumungsaktion die Kellerbox des Vormieters entrümpelten und schließlich auf das grüne Feuerzeug stießen, staunte sie nicht schlecht. Sie berichtete mir von den Gerüchten, die über ihren Vormieter kursierten. Als ein Kinderwagen in der Bernhardstraße in Brand gesetzt wurde, gab es für den jungen Vormieter mehrere polizeiliche Verhöre und die Nachbarn wurden misstrauisch. Schnell kam es zu Schmierereien an seinem Briefkasten und zerstörte Fahrradreifen. Nicht nur die eigenen Hausmitbewohner mieden ihn, auch die Menschen auf der Straße grüßten nicht mehr und blickten finster. Obwohl er nur vernommen wurde und ihm keine Schuld nachgewiesen werden konnte, war das Vertrauensverhältnis so gestört, dass er sich entschied, aus dem Haus auszuziehen. Der Fund stimmte uns nachdenklich. Sicher es kann sich um ein einfaches Feuerzeug handeln, welches seit Jahren ungenutzt in dieser Box verschmorrte.
Aber allein der Gedanke an die andere Möglichkeit ließ uns erschaudern und erzeugte sofort ein Kopfkino: der Geruch von brennender Plastik, Qualm, der sich wie eine schwere Decke auf die Lunge legt, das Dröhnen von Feuerwehrsirenen.
Literatur- und Quellenverzeichnis
Rebecca Bondü: Die Klassifikation von Brandstraftätern: Eine Typologisierung anhand des Tatmotivs und anderer Variablen
LVZ vom 04.03.2014
Julia Hargesheimer
http://juliahargesheimer.wordpress.com/