Schere

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Völkerschlacht 1813 / 1913 / 2013

Schere

62 × 9 × 255
Material: Stahl
Fundort: Leipzig, A14 Anschlusstelle Nord-Ost
Funddatum: 20.04.2013

Diese von der Witterung und der damit einhergehenden Korrosion gezeichnete Schere wurde unweit vor den Toren Tauchas gefunden.

Nach vielen Jahren unter freiem Himmel ist sie nun nicht mehr gebrauchsfähig. Gefunden wurde diese Schere in unmittelbarer Nähe zu einem mit Stieleichen bewachsenem, unscheinbaren Grabhügel aus der Zeit der Völkerschlacht. Durch den Ausbau der A14 im Frühjahr 2010 und der gleichzeitigen Verlegung der Anschlussstelle hatte ich zum ersten Mal von der Existenz eines Grabhügels in dieser Gegend gehört. Dieser durfte auch durch die umfangreichen Umbauarbeiten nicht zerstört werden. Schnell stellte sich die Frage wer diese Schere wohl besessen haben könnte.

Grabhügel2
Grabhügel aus der Völkerschlacht 1813

Durch meine Nachforschungen wurde mir schnell klar, dass diese Schere eindeutig nicht aus der Zeit der Völkerschlacht stammt, sondern wohl eher im 20. Jahrhundert hergestellt wurde. Trotzdem war mein Interesse geweckt, was wohl zu dieser Zeit in dieser Gegend vor sich gegangen ist.

Sehr wahrscheinlich ist, dass dieser Grabhügel mit der Schlacht um Heiterblick und Taucha in Verbindung steht. In ungefähr 1km Entfernung weiter westlich auf einer Erhöhung im Feld lag damals »Der heitere Blick«, ein Vorwerk 1,5h Fußmarsch nordöstlich von Leipzig entfernt. Die Stadt Taucha liegt in entgegengesetzter Richtung ungefähr 3km davon entfernt. In dieser Gegend kämpften am 18. Oktober 1813 die Verbündeten um den Schwedischen Kronprinz, welche über Plaußig zum heiteren Blick gegen die französischen Einheiten vordrangen. Einen Tag zuvor hatten die Kosaken bereits Taucha besetzt und wurden durch die Sachsen und Würtemberger wieder vertrieben. Der russische General Pahlen schaffte es endgültig, Taucha von diesen Truppen zu befreien. Vermutlich während des Rückzugs der französischen Truppen wurde das Vorwerk »Der heitere Blick« angezündet (vgl Nabert S.136).

Oft in der Nähe solcher Schlachtfelder waren die Marketenderinnen, welche die Soldaten dürftig verpflegten und ebenso bescheiden medizinisch versorgten. Vielleicht besaßen auch sie so eine ähnliche Schere. Denn bei den langen und kräftezehrenden Kämpfen und Märschen gingen viele Uniformen der Soldaten entzwei. Um zu neuen Kleider zu gelangen, bedienten sich die Krieger auch an den Uniformen getöteter feindlicher Soldaten. Auch die Marketenderinnen könnten versucht haben der Not an Uniformen entgegen zu wirken. So hätten sie mit Hilfe einer ähnlichen Schere kurzerhand die aufgefundenen Uniformfetzen neu zusammennähen können.

Möglich wäre es auch, dass solch eine Schere durch Soldaten im nahegelegenen Taucha einer Plünderung zum Opfer gefallen sein könnte. Denn Plünderungen standen in den Tagen während der Völkerschlacht an der Tagesordnung. So hat es zum Beispiel der Pfarrer Ludwig Gottlob Schlosser aus Großzschocher geschildert: »Das härteste aber was uns bis daher betroffen hat, war unstreitig das Feldlager, welches am Sonnabend gegen Abend, von dem 16ten Sonntag p. trin. Vor unserem Dorfe, an 600 württembergische Reiter, 600 französische Fussknechte und viele Spannbauern, am Wällnerischen und Cichoriussischen Hause geschlagen wurde. Heu und Stroh, Holz und Säcke, Töpfe und Schüsseln, Schubkarren und Eimer, wurden genommen wo sie waren. Ich selbst verlor alles Stroh, viel Heu und andere Sachen.« (Nabert S.9 2012). Möglicherweise war auch eine Schere dabei.

Literatur- und Quellenverzeichnis:
Zweckverband Parthenaue (2002): Geschützte einheimische Bäume (Faltblatt)
T. Nabert, (2012): Zeugen des Schreckens, Erlebnisberichte aus der Völkerschlachtzeit in und um Leipzig

http://de.wikipedia.org/wiki/Marketender am 06.06.2013

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Autor: Martin Hochmuth

Völkerschlacht 1813 / 1913 / 2013