Stein

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Völkerschlacht 1813 / 1913 / 2013

Stein

80 × 70 × 25 mm

Gestein
Fundort: Beucha, Kirchbruch
Funddatum: 12. Mai 2013

Ein Stein ist hart. Er kann schwer sein. Er kann mehr sein. Er kann im Meer sein. Er wird zu Sand. Ein Stein kann groß sein, kann voller Moos sein. Er wird grün und grau. Er kann Fels sein oder Kiesel, kann fallen und fliegen.Man greift ihn, wirft ihn weg und nach vielen Jahren taucht er wieder auf.
Ein Stein ist wichtig, viele Steine noch wichtiger. Mit ihnen fällt, was mit ihnen erbaut.

Geschichte in der Manteltasche

Dieser Stein stammt aus dem Kirchbruch Beucha. Er sollte einst Bestandteil des Fundamentes des Völkerschlachtdenkmals sein. Es kam jedoch nicht dazu, ihn zu verbauen, da er versteckt blieb. Versteckt in einer Manteltasche eines Boten. Es wurde überliefert, dass schon viele Jahre vor der Völkerschlacht, Rohsteine des Kirchbruchs Beucha heimlich abgetragen wurden. So auch zu Zeiten Friedrich Gottlobs, welcher seine Bahnen im sächsischen Land zog. F. Gottlob wurde am dritten August des Jahres 1739 in Wittenberg geboren und besuchte später die Sächsische Landesschule St. Augustin in Grimma. Nach seinem Schulabschluss zog es ihn wieder in seine Heimatstadt. An der Universität Wittenberg immatrikuliert, vollzieht er das Studium der Philosophie und schließt dieses mit dem Grad des Magisters ab. 1764 nimmt er die Tätigkeit des Konrektores in der Stadtschule Wittenberg auf und wechselt drei Jahre später an die Landesschule Pforta. Dort lernte er Friederica Dorothea kennen, seine zukünftige Frau. Sie hatten 13 Kinder. Überliefert wurde, dass er ein guter Lehrer, Vater und Mentor gewesen sei, vorallem im Bereich der Sprachen. Er beherrschte Latein, Griechisch, Französisch, Englisch, Italienisch, Spanisch und diverse morgenländische Sprachen. Zu seinen Schülern gehörten beispielsweise Karl August Böttiger, Christoph Wilhelm Mitscherlich, Heinrich Karl Eichstädt und Friedrich Wilhelm Döring, ein treuer Bote Gottlobs.
Die Kommunikation beider war stets freundlich, ohne Forderung und Befehlston. Es war eine freiwillige, später auch freundschaftliche Beziehung zueinander. Als F. Gottlob im Jahre 1794 F. W. Döring den Auftrag erteilte, er solle bitte nicht zu knapp einen Steinvorrat anlegen, um Materialien für eine Gedenkstätte zu sammeln, fragte Döring verwundert: „Herr, wofür wird eine Gedenkstätte errichtet?“ Der Herr entgegnete mit Bedacht: „Mein Sohn, es wird einen Tag geben, da Großes passiert. Ob es uns gefällt oder schaden wird, kann ich freilich nicht sagen, ich weiß nur, es wird passieren.“ Irritiert und erschrocken begann Döring mit der Arbeit. Döring, ein herzensguter und aufopferungsvoller Mensch, war handwerklich nicht sonderlich begabt.oscar_denkmal_beucha
Er meiselte, unwissend wie groß Steine sein müssen, handgroße Steinstücke aus den Felswänden des Kirchbruchs heraus. Um seinen Freund und Mentor nicht unnötig zu belasten, arbeitete er stillschweigend, bis die gesamte Abstellkammer gefüllt war. Es dauerte Wochen. Stolz erfüllt nahm sich Döring einen Stein, und steckte diesen in seinen Mantel, um Gottlob mitzuteilen, er habe den gesamten Raum mit solchen Steinen gefüllt. Gottlob selbst befand sich zu dieser Zeit in keiner guten körperlichen Verfassung und war somit ans Bett gebunden. Als Döring Gottlob den Stein zeigte, war dieser erfreut und entsetzt zu gleich. Um seinen jungen Schüler nicht zu kränken, äußerte Gottlob tiefste Freude. Gottlob sagte mit freudlichen, doch schmerzverzerrtem Blick: „Und wenn die Steine nun für mich sind, für meinen Körper und Rückzugsort für meine Seele, so sei mir nicht böse.“ Mit Tränen in den Augen schwieg Döring eine gefühlte Ewigkeit. Müde und trauernd machte er sich auf den Weg nach Hause. Er grübelte und dachte nach, warum ausgerechnet er den Grundstein für den Tod seines Freundes und Mentors legen sollte. Vielleicht weil er etwas besonderes sei. Döring sagte sich: „Ich werde diesen einen Stein, welchen er selbst in den Händen hielt, für die große Sache verwenden, von der er sprach, als er mir den Auftrag gab.“Als Gottlob 1794 starb, gab ihm Döring am Grab das Versprechen, dass der Stein ihrer Freundschaft, Teil einer Besonderheit werden wird. Döring selbst erlebte die Völkerschlacht mit. Als Überlebender galten seine Gedanken seiner Familie und seines Freundes, dessen jüngsten Sohn er in seine Obhut nahm. Die Idee, den Stein für etwas Großes zu opfern missfiel ihm nach dem sinnfreien Blutvergießen der Völkerschlacht. Er kramte seinen alten Mantel hervor, wickelte den Stein darin ein, und legte den Knäul in die Abstellkammer zu den restlichen Steinen, die für den Grabstein nicht genutzt worden waren. Die Abstellkammer blieb bis ca. 1897 unberührt. Erst als die Planung des Völkerschlachtdenkmals initiert war, wurden alle Steinressourcen ausgekundschaftet. So war der Kirchbruch Beucha eine zentrale Stelle der Steinversorgung für den Bau des Denkmals. Da diese Steine aufgrund ihrer Größe lediglich zur Ausbesserung und als Unterlage für große Steine nutzbar gewesen wären, oscar_denkmalentnahm man lediglich einige Schubkarren und beließ die Kammer wie sie war. Der Stein im mittlerweile heruntergekommenen Mantel, kurz gesagt Fetzen, blieb vorerst unberührt liegen. Während der Weltkriege diente die Kammer dem Schutz und als Unterkunft für das Militär.Damit verbunden, wurden viele Steine gewurfen, verlegt, verwendet und transportiert. Nach wissentschaftlichen Analysen und der Zuordnung der Abschiedsbriefe Gottlobs, sowie Dörings, konnten einige Steine dieser Abstellkammer zugeordnet werden. Unter anderem dieser Stein, der am 12.05.2013 in Beucha am Kirchbruch gefunden wurde.

Literatur-und Quellenverzeichnis
Robert Naumann: Die Völkerschlacht bei Leipzig: nebst Nachrichten von Zeitgenossen und Augenzeugen über dieselbe. Leipzig: Weigel 1863.
Friedrich Gottlieb
Völkerschlachtdenkmal

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Autor
Oscar Metzger

Völkerschlacht 1813 / 1913 / 2013