Stahlschloss

Artefakte moderner Archäologie

Stahlschloss
69 x 73 x 20 mm
Metall
Fundort: Leipzig, Walnussweg, Gartenhaus
Gefunden im am 17. April 2011

Will man etwas schützen, schließt man es weg. So auch Günther V., denn als informeller Mitarbeiter der StaSi ist man nicht immer stolz auf seine Arbeit. So ist es besser seine Vergangenheit vor neugierigen Blicken zu wahren. Mit einem dicken Schloss.

Unter Verschluss

Vor einiger Zeit starb unerwartet ein ferner Verwandter und hinterließ meinem Großvater und seinen zwei Geschwistern einen bebauten Garten im Süden Leipzigs. Dieses baufällige Stück Land war mit allerhand Schrott und Schutt beladen. Eines Tages kam mein Opa also nach Leipzig und fragte, ob ich nicht Lust hätte, das Grundstück mal ein wenig auf Vordermann zu bringen.

Gesagt, getan. An einem sonnigen Sonntagnachmittag begab ich mich auf den Weg nach Knautkleeberg und als ich dort ankam, verschlug es mir die Sprache. Trotz dieser immensen Ansammlung an unnützem Kram und der Sanierungsbedürftigkeit freute ich mich enorm in dieses unerforschte Stück Land vorzudringen und ihm seine Geheimnisse zu entlocken. Mit vor Abenteuerdrang glänzenden Kinderaugen begann ich jeden Winkel des Geländes gründlich zu untersuchen und dabei natürlich für etwas Ordnung zu sorgen.

Dabei kamen mir allerhand Kuriositäten und Raritäten zu Gesicht wie zum Beispiel ein großer Sack voller unzähliger Schuhe, verschiedene Behälter mit unterschiedlichsten Schlüsseln gefüllt, ein alter Plattenspieler aus DDR-Zeiten und allerhand an Werkzeugen. Zwischenzeitlich machten mein Opa und ich eine Pause und unterhielten uns über dies und jenes. Ich konnte dabei meine Neugier kaum zügeln und fragte meinen Großvater über seinen verstorbenen Bruder aus. Was er so gemacht hat, wie er war, was es mit dem Grundstück auf sich hat, was er für Pläne damit hatte und und und… es stellte sich heraus, dass er ein Mensch war, der viele Dinge anfing, jedoch nur weniges davon wirklich beendet hatte, wie eben den Garten. Nach dieser doch recht kurzen Pause ging es sofort weiter mit dem Erkunden und Aufräumen.

Die Werkstatt war nun an der Reihe. Während mein Opa an einer anderen Stelle herumwerkelte, durchstöberte ich erst einmal die Werkstatt, als auf einmal mein Blick an etwas so vermeintlich Unscheinbarem hängen blieb. Auf einer mit allerhand Kabeln und Kisten beladenen Werkbank blitzte mir ein rotes Stahlschloss im Verborgenen entgegen.

Soweit war das ja nichts Besonderes, nur an dieser normalen Werkzeugkiste, an der das Schloss angebracht war, erschien es mir so fehl am Platz. Es wollte einfach nicht ins Bild passen. Also beschloss ich diesem kleinen Mysterium auf den Grund zu gehen. Ich beförderte die Werkzeugkiste ans Tageslicht und musste nun zu meinem Entsetzen feststellen, dass sich das Schloss, trotz noch so heftigem Rütteln und Schütteln, nicht lösen lies. Sofort schossen mir die ganzen Behälter mit den Schlüsseln in den Sinn! Einer von denen musste doch passen! Nach etlichem Probieren wurde ich schließlich fündig. KLACK. Das Schloss war offen. Auf den ersten Blick war ich enttäuscht. Ein paar alte Notizbücher, Dokumente, eine Lesebrille und sonstiger Kleinkram. Doch als ich die Sachen genauer betrachtete, wurde mir klar, dass es sich bei all dem um mehr handelte, als nur unbedeutender Papierkram und Accessoires.

Die vermeintliche Lesebrille hatte keine Sehstärke, in den Notizbüchern waren allerhand Namen und Tätigkeiten aufgelistet und nicht zuletzt waren dort sehr merkwürdig anmutende, dreckstarrende Dokumente über Telefonate zu finden. Und da kam er, der Gedankenblitz. DDR, StaSi, informelle Mitarbeiter, Spitzel, der Bruder meines Großvaters. Ich war verwirrt. War mein Großonkel Mitarbeiter bei der StaSi? Stimmen meine Vermutungen und Schlüsse die ich aus meinem Fund ableitete? Sollte ich meinem Opa von meinem Fund berichten? Würde er es überhaupt wissen wollen? Wie würde er wohl überhaupt darauf reagieren? Weiß noch jemand davon? War mein Großonkel dafür verantwortlich, dass mein Opa, nachdem er es geschafft hat über die Mauer zu fliehen, wieder in die DDR zurück geholt wurde? Mein Kopf quirrlte förmlich über vor lauter Fragen. Ich entschied mich vorerst zu schweigen und erst einmal Nachforschungen anzustellen. Vielleicht lag ich ja doch falsch. Später am Tag verabschiedete sich mein Opa und gab mir die Schlüssel für das Grundstück mit, damit ich immer mal vorbei schauen und ein wenig arbeiten könnte. Als ich dann auch daheim ankam, informierte ich mich erst einmal genauer über die StaSi und wo man denn Infos bezüglich solcher StaSi-Objekte her bekommt. Dabei stieß ich auf die Homepage des Museums in der runden Ecke und was ich dort fand, gefiel mir ganz und gar nicht.

Die Dokumente aus der Werkzeugkiste stellten sich als Abhörprotokolle heraus, die Brille als ein einfacher Teil einer Maskierung und die handelsübliche Werkzeugkiste diente häufig als Aufbewahrungsbox für solche Dinge. Ich war geschockt. Wie wenig ich doch wirklich von solch nahen Verwandten wusste oder dachte zu wissen.

Wer wohl noch alles Teile von sich und seinem Leben anderen vorenthält? Diese auch mit einem dicken Schloss verriegelt?

Quellen
Objektdatenbank des Museums in der Runden Ecke

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Autor
Sarah Zapf

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