Gabel

Fundstücke 1000 Jahre Leipzig

Gabel
20 x 150 x 2 mm
Silber
Fundort: Leipzig
Funddatum: 10. Juni 2014

Eine Schwedische Gabel, hergestellt als Kuchenbesteck, gefunden als Geschichte. Eine silberne Verbindung zur Völkerschlacht bei Leipzig.

Wie ich dazu kam, auf dem Flohmarkt eine Gabel zu kaufen, bleibt mir selbst ein Rätsel, es führten wohl ein schweifender Blick in Kombination mit kurzer Impulsivität dazu.

Zwei Einkerbungen befinden sich darauf, einerseits steht unten auf ihrem Griff NWB, andererseits steht auf ihrer Rückseite A. G. SUNDBERG, wobei das D auch als C gelesen werden könnte und das B als R. Dahinter steht etwas Unlesbares.

Über den Schweden A. G. Sundberg gibt es im Netz wenige Einträge, alle im Zusammenhang mit diversen Ehefrauen und der Taufe verschiedener Kinder. Die Informationen sind minimal und chaotisch, der einzige Zusammenhang besteht in den Jahreszahlen, die sich alle auf das 19. Jahrhundert beziehen. Sein Sohn Carl August wurde 1829 getauft, wie aus einem schwedischen Archiv hervorgeht. Doch wie kam die Gabel nach Leipzig, auf den Tisch voller alter Lampenschirme, Postkarten und Münzen, auf dem ich sie fand?

In meinem Kopf formte sich langsam ein Bild des schwedischen Soldaten Nils W. Björnsen (NWB), der 1813 in seinem Zelt neben seinen Kameraden Alexander Andersson und Lennard Lundström seine karge Ration mit der Kuchengabel verspeist, die als Hochzeitsgeschenk des Vaters seiner Verlobten Maria Sundberg gedacht war, die sie ihm, aufgrund der veränderten Verhältnisse, aber vor der überstürzten Abreise in letzter Sekunde unter Tränen überreichte.

Nils‘ nervös zitternde Hand führt die Gabel gerade zum Mund, im Hintergrund ertönt Kanonendonner und Schlachtgeschrei, eine Kakophonie, an die er sich in den letzten Tagen gewöhnen musste, als vor seiner Unterbringung ein Getümmel entsteht. Er hebt den Kopf und sieht mit besorgtem Blick seinem Gegenüber in die Augen, seine Kiefermuskeln spielen. Von Außen ertönt der gellende Schrei seines Vorgesetzten. Björnsen atmet tief ein, sein Gesichtsausdruck verhärtet sich, mit Tapferkeit in der Bewegung steht er auf, steckt die Gabel in seine Brusttasche, setzt seinen Hut auf und greift entschlossen nach seinem Gewehr. Vor seinem Zelt offenbart sich ihm das Bild unzähliger Soldaten, alle in der Uniform, die auch er trägt. Ein Gefühl von Stolz überkommt ihn und er schreitet festen Schrittes voran, um sich zwischen seinen Kameraden einzureihen.
In der Schlacht wird er tödlich verwundet und stirbt noch auf dem Schlachtfeld im Dreck, sein letzter Gedanke gilt der Gabel in seiner Tasche und damit seiner Maria.

Mit Pferdegeschrei und Trompetenklängen im Hinterkopf begab ich mich mit meinem Besteck zum Grassimuseum, um mehr über den gefallenen Soldaten zu erfahren, doch dort traf mich die Ernüchterung, die Gabel war höchstens 50 Jahre alt.

Ich hätte von dieser Nachricht enttäuscht sein können, doch ich war es nicht.  Die Gabel hatte mir die Völkerschlacht näher gebracht als jedes Buch, das ich bisher zum Thema gewälzt hatte und wird für mich weiterhin Nils W. Björnsens Gabel bleiben.

Fabian Ankenbauer