Jakobsmuschel

Nachbarschaft 

Jakobsmuschel
100 × 109 × 3 mm
Kalziumcarbonat und organische Stoffe
Fundort: Le Puy-en-Velay
Funddatum: 24. Mai 2002

Diese Muschel wurde in einem kleinen Laden in der Nähe der Kathedrale Notre Dame gekauft. Geangelt wurde sie in einem unbekannten französischen Ort. Sobald sie kein leckeres Gericht mehr ist, begleitet die Jakobsmuschel die Pilger auf dem Jakobsweg.

Deutschland und Frankreich waren schon immer eng miteinander verbunden.  Die Beziehung zwischen unseren zwei Ländern ist nicht nur auf unsere gemeinsame Grenze beschränkt, sondern auch auf alle Angelegenheiten, die wir geteilt haben. Zwischen Rivalitäten und solidarische Unterstützung, Kriegen und friedlichen Episoden, Machtkämpfen und Handelsbeziehungen, haben Deutschland und Frankreich, die seit der Aufteilung des karolingischen Reiches im Jahre 843 in zwei verschiedene Staaten getrennt wurden, die Geschichte von ihrer Nachbarschaft angefangen. Eine Nachbarschaft, die heute fortbesteht. Nachhaltige Nachbarschaft.

In diesem Jahr hat mich die Neugier gepackt und ich erlebe ein Jahr lang bei diesem Nachbarn  neue Erfahrungen.
Als ich in Leipzig angekommen bin, habe ich in die Entdeckung dieser kleine Stadt und ihrer verschiedenen Viertel gemacht. Man hatte mir empfohlen, den Ostteil von Leipzig zu besuchen, wo die Architektur der Gebäude weniger renoviert ist, als diejenige des Stadtzentrums. Während ich an der Eisenbahnstraße in dem Neustadt Viertel entlanglief, entdeckte ich hinter einer Verkehrsampel das bekannte Symbol der Jakobsmuschel. Ratlos habe ich Zuhause die Verbindung zwischen Leipzig, und besonders diesem Viertel von Neustadt und dem Symbol des berühmten Jakobsweges recherchiert. Ich erfuhr, dass meine Gaststadt  die Übergangsstelle von zwei mittelalterlichen Hauptverkehrsstraßen war: Die Via Imperii führte nach Rom und die Via Regia führte ursprünglich von Mainz-Kastel, die Wahlstadt des Kaisers des Heiliges Römisches Reiches, bis nach Santiago de Compostella und wurde später von Breslau verlängert. Sie durchquert Paris und West-Frankreich, um an diesem Wallfahrtsort  im Norden von Spanien zu enden.

Via Imperri und Via regia

Diese Via Regia wurde im Laufe des Mittelalters regelmäßig benutzt, ebenso gut für den Handel als auch für die unterschiedlichen Messen, die in Leipzig auch stattfanden. Auf diesem Weg sind verschiedene Textilien, wie Leinen und Pelze aber ebenfalls Nahrungsmittel wie Honig, zwischen dem Osten und dem Westen gereist. Holz, Wachs, und verschiedene Metalle sind auch zwischen unseren zwei Grenzen regelmäßig ausgetauscht worden.  Es darf trotzdem die menschliche Beförderung nicht vergessen werden, die auch auf diesen Wegen stattfand. So hat die Via Regia manchen Armeen der mittelalterlichen Epoche bis zur Völkerschlacht defilieren sehen, die Napoleon in Leipzig im Jahre 1813 verlor. Aber die Via Regia hat ebenfalls viele Pilger auf seinen Wegen seit dem Mittelalter empfangen. Diese Wallfahrt ermöglichte tatsächlich dem ganzen katholischen Europazu dem Grab des Apostels Jakob in die gleichnamige Kathedrale  in Galicien in Spanien zu pilgern. Noch heute benutzen mehrere tausend Pilger oder Läufer als Hobby diesen Weg, die Taschen auf dem Rücken und Spazierstöcke mit dem schützenden Symbol dieser langen Reise: eine Jakobsmuschel. IMG_9694

Ich fotografierte das Symbol  dieser Via Regia in der Eisenbahnstrasse, was bedeutet, dass dieser Weg heute immer noch existiert. Aber diese Muschel war mir schon vertraut. Ich erinnere mich tatsächlich in meiner Kindheit daran, dass „diese Läufer mit den großen Rucksäcken “ vorbeigezogen sind und der Lärm von ihren  schlagenden Wanderstöcken auf den Straßendecken der Altstadt von Le Puy-en-Velay zu hören war. Diese Stadt von Haute-Loire, in Auvergne ist ein sehr bekannter Ausgangspunkt für den Jakobsweg mit der Via Podiensis. Zahlreiche Personen kommen jedes Jahr, um „ihren Weg “ hier anzufangen. Ich erinnere mich daran, dass ich an einem Tag meine Großmutter gefragt habe, während wir nach Schulschluss spazieren gingen, was diese große Muschel bedeutete und warum sie  die Leute an ihre Stäbe auf hingen. Nach ihren Erklärungen fand ich diese Jakobsmuschel faszinierend und mystisch, da sie den Leuten Kraft gab, genauso lange zu wandern, als auch so weit. Meine Großmutter schenkte mir also eine Jakobsmuschel, wie diejenige, die sich die Pilger vor ihrer Abfahrt zulegen. Ganz zufrieden behielt ich diesen wertvollen Gegenstand  auf einem Regal in meinem Zimmer während meiner ganzen Kindheit.

Was für eine Überraschung , als ich dieses Symbol in Leipzig entdeckte, so weit entfernt von dem Ort, wo ich es zum ersten Mal gesehen hatte!

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Die Nachbarn haben die Gewohnheit, die Sache aufzuteilen. Meine Heimatstadt und meine Gaststadt teilen sich diese Muschel auf. Und wer weiß ? Vielleicht wird diese eines Tages ebenfalls auf Wanderschaft gehen …

Literatur und Quellenverzeichnis
Enke, Roland, 2011, Via Regia: 800 Jahre Bewegung und Begegnung , Katalog 3. Sächsische Landesaustellung, Görlitz.
Über die Via Regia
Über den Jakobsweg
Über le Puy-en-Velay und die Via Podiensis

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Autor
Claire Durand

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