Stadthonig

Stadthonig

Nachbarschaft

Stadthonig
55 x 85 x 55 mm
Glas, beschichtetes Metall, Papier, Honig
Fundort: Leipzig, Lutherstraße 16c
Funddatum: 10.06.2014

Dieses Gläschen enthält den dicken, süßen Saft der Stadt Leipzig. Produziert wurde er von einem ganzen Volk der Gattung Apis mellifera urbana, der Stadthonigbiene, in Kooperation mit ihrem Halter, dem Stadtimker. Es handelt sich daher quasi um Honig vom Balkon.

Ich bin zu Besuch bei Kati in der Lutherstraße 16c. Wir wollen ein gemeinsames Studienprojekt besprechen und uns vorher mit einem ausgiebigen Frühstück stärken. Auf dem Tisch stehen bereits zahlreiche Leckereien. Das Honiggläschen fällt mir sofort ins Auge. Ich nehme es in die Hand und betrachte es genauer. Beklebt ist es mit einem selbstgemacht anmutenden Etikett, auf dem groß „Honig aus Leipzig“ und kleiner „Leipzig Neustadt“ geschrieben steht. Diese Aufschrift weckt mein Interesse. Ich frage sie, ob der Honig tatsächlich aus dem Stadtteil stammt. Mit leuchtenden Augen fordert sie mich auf, ihr zu folgen. Sie öffnet die Balkontür und geht hinaus. Etwas verwirrt folge ich ihr. Kati lacht und breitet die Arme aus: „Das sind meine Bienen und der Honig kommt von meinem Balkon.“ Ungläubig schaue ich sie an. Auf dem winzigen Balkon herrscht ein geschäftiges, summendes Treiben. Zahlreiche Bienen fliegen in eine am Geländer angebrachte Holzbox hinein und wieder heraus. Mir schwirren mindestens ebenso viele Fragen im Kopf herum, wie es dunkle kleine Punkte gibt, die hier durch die Luft sausen: „Kann jeder einfach Bienen halten? Bienenhaltung in einem Mietshaus – ist das erlaubt? Was sagen die Nachbarn dazu? Welche Pflege brauchen Bienen? Wie oft wurde sie wohl schon gestochen? Warum macht sie das?“ Geduldig beantwortet mir Kati meine Fragen. Was ich über das Thema erfahre, überrascht mich:

Die Stadt als geeigneter Lebensraum für Bienen
Leipzig ist eine grüne Stadt. Zahlreiche Parks und Gartenanlagen prägen das Stadtbild. Doch auch auf Balkons, Vorgärten, auf Verkehrsinseln, in Innenhöfen und auf verwilderten Grundstücken grünt und blüht es. Hunderte verschiedene Bäume und Blumen bieten den Bienen eine breite Vielfalt und stehen in starkem Kontrast zu im ländlichen Bereich häufig vorhandenen Monokulturen.

Überall in der Stadt blüht es

Ein Beispiel für die blühende Vielfalt in der Stadt (Foto aufgenommen mit Lochkamera-Objektiv)

Imkervereine befürworten das Urban Beekeeping
Auch die Imkervereine begrüßen die neue Form der Bienenhaltung, welche in den Medien vor allem als Urban Beekeeping oder Urban Imkering bezeichnet wird. Denn diese hatten vorher mit stetig schwindenden Mitgliederzahlen zu kämpfen. Die Imkerei hatte das Image eines Altmännerhobbies und wirkte daher nicht anziehend auf die Jugend. Der Nachwuchs fehlte. Was das für die Zukunft bedeutet, ist klar.
Doch nicht nur die Imkerei, sondern – noch schlimmer – auch die Bienen waren existenziell bedroht. In vergangenen Jahren wurde in den Medien häufig über das große „Bienensterben“ aufgrund von Milbenbefall, drastischer Pestizidbelastung und zu wenig Nahrung berichtet. Bienen leisten durch ihre Bestäubung eine unschätzbare Arbeit. Wie bedeutend diese Leistung tatsächlich ist, lässt sich an der Prognose Albert Einsteins erkennen, der einst sagte: „Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, kein Mensch mehr.“ Doch keine Angst. Mit dem Urban Beekeeping ist der erste Schritt in die richtige Richtung getan und die Untergangsstimmung ist größtenteils einem hoffnungsvollen Blick in die Zukunft gewichten.

Urban Beekeeping: mehr als ein Trend
Das Urban Beekeeping hat sich weltweit bereits in zahlreichen Städten angesiedelt und etabliert. Die Intention der Hobbyimker liegt dabei meistens nicht allein darin den beliebten Stadthonig zu gewinnen. Es handelt sich vielmehr um eine Bekenntnis zur Natur und regionalen Produkten. Für die Biene werden so neue Lebensräume geschaffen. Grundlegend herrscht eine Ausgewogenheit zwischen Geben und Nehmen – eine nachhaltige Nachbarschaft zwischen Menschen und Bienen.

Und zuletzt erfahre, oder besser gesagt, genieße ich die Antwort auf meine dringendste Frage: „Wie schmeckt der Honig?“. Ich schraube das Gläschen auf und probiere einen Löffel des goldgelben Honigs. „Mhhhhhhh…!!!“

Quellen
Zitat Albert Einstein

Links
Informationen zur Bienenhaltung in der Stadt
Informationen zum Bienensterben
Hier kann man Honig aus Leipzig kaufen
Lebende Bienen im Naturkundemuseum Leipzig

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Autor
Nadja Haupt

Nachbarschaft