Tabakspfeife

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Völkerschlacht 1813 / 1913 / 2013

Tabakspfeife

150 x 44 x 29
Weichholz, Messing
Fundort: Agra Veranstaltungsgelände, Leipzig
Funddatum: 23. Februar 2013

Eine kleine Tabakspfeife aus weichem Holz (vermutlich Kirsche) und Messing. Von Hand Gedrechselt und Geschnitzt, mit leichten Gebrauchsspuren. Gefunden auf dem Leipziger Antik- und Trödelmarkt.
Am 20. März 1813 wurde Theodor auf seinem Weg zur Universität Breslau von einer Gruppe junger Männer aufgehalten. Sie standen um eine Anschlagtafel versammelt, an welche eine Seite der Schlesischen Zeitung geheftet war. Darauf stand in mitreißenden Worten zu lesen, dass König Friedrich Wilhelm III. Frankreich den Krieg erklärt habe und nun die Bevölkerung zu den Fahnen rief.
anschlag-230x300Lange studierte der junge Mann die Zeilen, während er an seiner Tabakspfeife sog. Die Pfeife, eine von den diesen kleinen modernen aus Kirschholz, hatte ihm sein Vater erst letztes Jahr zum zweiundzwanzigsten Geburtstag geschickt. Seine Eltern und seine Schwester lebten in Dresden und schon seit einigen Wochen hatte er die Nachrichten über den Rückzug der Franzosen aus Russland verfolgt und mit großer Besorgnis über die Gefechte in Dresden gelesen. Selbst die neue Augustusbrücke hatten sie in die Luft gesprengt! Denn trotz der verheerenden Niederlagen der französischen Armee schien Napoleon nicht aufgeben zu wollen und versuchte mit allem Trotz die sich zurückziehende Woge seines zerschlagenen Heeres aufzuhalten.
Das durfte nicht sein! Der Tag war gekommen, an dem auch er seinen Teil dazu beitragen konnte, Deutschland ein für allemal von den Franzosen zu befreien. Mit einem Ruck, als sei er gerade aus einem Traum aufgeschreckt, richtete Theodor sich auf, löschte seine Pfeife und meldete sich noch am gleichen Tag als Freiwilliger.
Obwohl er mit seinen selbstverfassten Liedern und Gedichten bereits einiges verdient hatte, genügte sein Studentengehalt nicht für eine Büchse oder gar ein Pferd. So wurde er der Infanterie unter Major Lützow zugeteilt, welche als Freikorps einen Großteil ihrer Ausrüstung aus Spenden erhielt.
Theodor wurde, gemeinsam mit einigen anderen jungen Männern nach Zobten abkommandiert, wo die Infanterie bis zum Aufbruch nach Sachsen Quartier beziehen sollte. Auf dem Weg dorthin malten sie sich aus, wie sie die Franzosen in die Flucht schlagen, von den befreiten Sachsen bejubelt und schließlich als Helden heimkehren würden. Theodor war geradezu beflügelt vom Enthusiasmus der Kameraden sodass die Lieder und Gedichte nur so aus ihm heraussprudelten und er kaum hinterher kam, sie vor der nächtlichen Rast im Flackerlicht der Öllampe und mit der Pfeife zwischen den Zähnen niederzuschreiben. Während der Märsche sang er oft laut vor sich hin, um die Texte bis zum Abend im Kopf zu behalten und bald schon stimmten seine Kameraden mit ein: „Drum, wack’re Jäger, frei und flink; wie auch das Liebchen weint; Gott hilft uns im gerechten Krieg; frisch in den Kampf! – Tod oder Sieg!; Frisch, Brüder, auf den Feind“.

Theodor Körner liest den Lützower Jägern seine Kriegslieder vor.

Theodor Körner liest den Lützower Jägern seine Kriegslieder vor.

Kaum ein Vierteljahr später, im Juni, hatte Theodor nichts von seinem Ehrgeiz eingebüßt. Er war inzwischen zum Leutnant aufgestiegen und hatte mehrere kleine Gefechte erlebt, die alle siegreich ausgingen. Sie hatten ihr Lager bei Kitzen, südwestlich von Leipzig bezogen als Württembergische und Französische Truppen anrückten. Die Lützower hatten noch nichts von dem vor drei Tagen beschlossenen Waffenstillstand erfahren und wussten nicht, dass sie sich dem Abkommen nach auf die andere Seite der Elbe hätten zurückziehen müssen. Der General der Württemberger versicherte ihnen einen freien Abzug doch während die Lützower noch das Lager abbrachen, rief der französische General: „L’armistice pour tout le monde, excepté pour vous!“ (Waffenstillstand für alle Welt, nur nicht für euch!) und die Dragoner legten an und schossen.Theodor entkam gerade noch dem Gemetzel. Schwer verwundet floh er nach Großzschocher und verbarg sich in einem Gehölz. Sicher, dass er dort sterben würde, dankte er Gott, dass er zumindest seinen Tornister hatte mitnehmen können und kramte einen Fetzen Papier, einen Kohlestift und seine Pfeife hervor. In zittrigen Lettern, schrieb er seinen „Abschied vom Leben“ in Sonettform und paffte die letzten trockenen Krümel aus seiner Pfeife.
Groß war Theodors Erstaunen, als er am nächsten Morgen mit verbundenem Kopf in einem weichen Federbett erwachte. Von einer Bäuerin erfuhr er, dass ihr Mann und Schwager ihn am Abend zuvor gefunden hatten. Er habe bewusstlos im Gebüsch gelegen doch durch den Rauch seiner Pfeife hätten sie ihn entdeckt. Mit Hilfe seiner Freunde und Familie wurde Theodor schon bald darauf einem Arzt in Leipzig überstellt. Vor seinem Abschied vermachte er dem Bauern die Pfeife als Dank für seine Rettung.

Was aus der Glückspfeife geworden ist, die einem jungen Mann das Leben gerettet hatte, weiß heute Niemand mehr. Vielleicht ist es diese, denn wenn man sie raucht, riecht man den Pulverdampf der Musketen und erinnert sich an alte Lieder voller Euphorie und Tatendrang.

Literatur- und Quellenverzeichnis:
Theodor Körner – Wikipedia
Lützowsches Freikorps – Wikipedia
„An mein Volk“ – Wikipedia

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Autor
Marie-Luise Rother

Völkerschlacht 1813 / 1913 / 2013