Schon in der antiken Welt der Griechen gehörten überregionaler Handel und kultureller Austausch zum Alltag. So lassen sich beispielsweise ägyptische Produkte auf griechischem Boden finden oder griechische Objekte in Ägypten. Im westlichen Nildelta gründeten die Griechen um 630 v. Chr. sogar eine Handelsniederlassung, die sie Naukratis nannten.
In ebendieser Kolonie wurde die Statuette des Jünglings gefunden. Sie vereint Merkmale der griechischen mit denen der ägyptischen Kunst. Die Nacktheit und die gerade, steife Haltung sind beispielsweise typisch für griechische Männerdarstellungen früherer Zeit. Der Jüngling steht aufrecht, nur sein linkes Bein ist leicht vorgesetzt. Die Arme liegen seitlich am Körper an, die Hände sind zur Faust geballt und an die Oberschenkel gepresst. Ein Lächeln, nur durch leichtes Hochziehen der Mundwinkel angedeutet, ist ebenfalls ein typisches Charakteristikum griechischer Plastik dieser Zeit. Das in der Mitte gescheitelte Haar fällt in sorgfältig gelegten Strähnen auf die Schultern herab und verweist auf die ägyptische Perückenmode.
Ursprünglich hatte die Statuette ein völlig anderes Erscheinungsbild: Ihre Oberfläche müssen wir uns farbig bemalt vorstellen. Von besser erhaltenen Beispielen wissen wir, dass Skulpturen mit kräftigen Farben bedeckt waren. An der Figur sind Spuren von roter Farbe am Haaransatz über der Stirn und an den Schläfen, den Lippen sowie am rechten Ohrläppchen zu erkennen. Derartige Jünglings-Statuen standen im 6. Jahrhundert v. Chr. als Sinnbild des Toten auf dessen Grab. In einem Heiligtum aufgestellt, konnten sie aber auch als Abbild einer Gottheit dienen oder sie stellten einen Sterblichen dar, der sich mit solch einer den Göttern geweihten Figur unter ihren Schutz stellte. Ihre Größe konnte ganz unterschiedliche Ausmaße annehmen: Von kleineren Exemplaren, wie hier im Museum, bis hin zu überlebensgroßen Kolossalstatuen.