Steinmetzen über die Schultern geschaut

Spuren im Stein

Der römische Kaiser Augustus (63 v. Chr. – 14 n. Chr.) rühmt sich über seine Bautätigkeit in Rom wie folgt:
„Ich habe eine Stadt aus Ziegeln vorgefunden und eine Stadt aus Marmor hinterlassen“.
Dieses bekannte Zitat zeigt die herausragende Bedeutung von Marmor in der antiken Baukunst. Er wurde nicht nur für repräsentative Bauwerke, sondern auch für Skulpturen und Dekorationselemente verwendet. Besonders seine Vielfarbigkeit machte Marmor zu einem geschätzten Baumaterial. Doch erst seine Bearbeitung durch verschiedene Werkzeuge und mehrere Arbeitsprozesse, lässt ein prächtiges Bauwerk oder eine kunstvolle Plastik entstehen.

Auf der Musterplatte aus Carrara-Marmor können Sie die unterschiedlichen Bearbeitungsspuren ertasten, die die Werkzeuge der Steinmetzen im Stein hinterlassen haben. Dabei erfahren Sie von links nach rechts wie aus dem anfangs roh behauenen Stein eine glatt polierte Oberfläche entsteht. 

Die entsprechenden Werkzeuge können Sie auf der Platte darunter berühren. In der Steinmetzsprache heißen sie nicht „Meißel“, sondern immer „Eisen“. Die Steinmetzen der Antike verwendeten Werkzeuge, die den heutigen sehr ähnlich waren. Sie werden auf der Steinoberfläche angesetzt und durch Schläge mit dem rechts unter den Buchstaben A und B zu sehenden Fäustel oder Knüpfel angetrieben.

Die Außen- und Oberkante des ersten Abschnittes wurde mit einem Spreng-Eisen bearbeitet. Dessen Kopf ist schräg abgeflacht und auf der Oberseite scharfkantig. Es wird zum Abschlagen der Kanten verwendet.

Die Flächen unter den Nummern 2 und 3 wurden durch das Spitzeisen geformt. Wie der Name bereits andeutet, besitzt es eine gehärtete Spitze, welche zum groben und schnellen „Spitzen“ des Steins verwendet wird.

Fühlen Sie nun die Flächen 4 bis 6, die durch unterschiedliche Zahneisen bearbeitet wurden. Zahneisen weisen eine abgeflachte Seite auf, deren Schneide gezahnt ist. In erster Linie wurden sie zum Abarbeiten der groben Spitzspuren und zum Einglätten des Steines genutzt. Auch zum Erzielen bestimmter Oberflächenstrukturen kommen sie zum Einsatz.

Die Fläche Nummer 7 wurde durch ein Beizeisen geformt. Dieses besitzt eine keilartige Schneide und wird zum sauberen Bearbeiten der Kanten und zum Glätten des Steines verwendet.

Das Viertel-Eisen gab der Fläche 7a seine Form. Dabei handelt es sich um ein Flacheisen, dessen Schneidebreite stark variieren kann. Verwendet wird es zum großflächigen Glätten.

Die Fläche 8 wurde mit Hilfe eines Stockhammers bearbeitet. Dieser erinnert an einen Fleischklopfer, denn seine Schlagfläche ist mit mehreren spitzen Zähnen versehen. Durch die Schläge mit ihm wird die Oberfläche des Steines aufgerauht.

Die Fläche 9 wurde mit einer Feile bearbeitet, ein längliches Werkzeug, dessen abgerundete Oberseite gezahnt ist. Zum Ende hin läuft sie spitz aus. Genutzt wird sie zum weiteren und feineren Glätten der Steinoberfläche.

Die Abschnitte 10 und 11 wurden mit verschiedenen Schleifsteinen poliert. Das sind Werkzeuge aus kristallinem oder porösem Material mit einer ebenen Fläche. Der Schleifstein muss während des Gebrauchs mit Wasser benetzt werden. Das verhindert die Ablagerung von Abrieb in den Poren des Steines.

Dem Nuteisen verdanken die Flächen 12 und 13 ihre dreieckige bzw. quadratische Einkerbung. Dies ist eine sehr viel schmalere Ausführung des Beizeisen Nummer 7. Verwendet wird es zum Eintiefen von Schriften und Gravuren.

Das Rundeisen, welches die gewellten Spuren in Fläche 14 hinterließ, hat eine abgerundete Schneide. Oft wird es bei Bildhauerarbeiten eingesetzt, um den Stein ohne scharfe Kanten modellieren zu können.

Die Reihe von Löchern und die längliche, schmale Vertiefung in den Flächen 15 und 16 entstanden durch einen Bohrer. Dieser kommt beim Herstellen von punktuellen Löchern und geraden oder gekrümmten Bohrkanälen zum Einsatz. Bohrer werden in spezielle Maschinen wie Handkurbeln oder Brustleiern eingesetzt und funktionieren somit fast wie moderne Bohrmaschinen.

Nachdem Sie die Werkzeuge der Steinmetzen und deren Spuren im Stein kennengelernt haben, werden Sie viele von ihnen auf den darüber angebrachten Grabreliefs aus Athen entdecken.