Weiselkäfig

Fundstücke 1000 Jahre Leipzig

Weiselkäfig
38 x 57 x 24 mm
Holz, Kunststoff, Metall
Fundort: Waldstraßenviertel, Leipzig
Funddatum: 21. Mai 2015

Ich war sehr stolz, als mein Vater diesen Weiselkäfig als Erbstück meiner Verantwortung übergab und mir seine Bedeutung erklärte. Der Name unserer Stadt Leipzig geht auf meine Urahnen zurück und dieser Weiselkäfig steht dabei für ihr Handwerk.

Imkerei ist in unserer Familie Tradition. Dieses Handwerk wurde von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Das ist ein Brauch, der weit in unsere Familiengeschichte zurückreicht.
Als Symbol dieser Tradition vertraute mir mein Vater diesen Weiselkäfig (Bienenköniginnenkäfig) an. Er erklärte, dass er dieses Objekt als Erbstück von seinem Vater, meinem Großvater, erhielt, nachdem er Konfirmation feierte und Interesse an der Imkerei zeigte. Es soll die Erinnerung an unsere traditionsreiche Familiengeschichte erhalten und die bedeutende Rolle meiner Vorväter in der Namensgebung Leipzigs symbolisieren.
Der Name »Leipzig« leitet sich aus dem altsorbischen Wort »lipa« ab, was im Deutschen mit »Linde« zu übersetzen ist. Dieser Begriff stammt aus der Zeit der slawischen Besiedlung Leipzigs. Er bezeichnet den »Ort, an dem Linden wachsen«. Zur Zeit der Stadtgründung (spätes Mittelalter), so wird in unserer Familie erzählt, begannen meine Urahnen zu imkern und Lindenhonig zu produzieren. Damals waren sie als Zeidler (mittelalterliche Imker) die einzigen bürgerlichen Zivilpersonen, denen das Tragen von Waffen – zum Schutz des kostbaren Honigs – erlaubt war. Die Bienen aus den Völkern meiner Vorväter bestäubten die Linden. Die Bäume verbreiteten sich und dominierten die Gegend, was Leipzig zu seinem Namen verhalf. Die als Waldbaum gewachsene Linde hat als Dorflinde ihre Verstädterung überstanden und gilt noch heute als häufigster Straßenbaum im Stadtbild.
Derweise sollen meine Vorväter passiv zur späteren Namensgebung Leipzigs beigetragen haben. Dieser Weiselkäfig dient als Sinnbild jener Geschichte, obwohl er durch die Verwendung von Kunststoff als modern zu erkennen ist. In einem Weiselkäfig wie diesem, schlüpft eine Bienenkönigin aus der enthaltenen Weiselzelle. Sie entwickelt sich und bildet ein Bienenvolk, das dann Nektar aus Blüten sammelt, dabei die Pflanzen bestäubt und daraus Honig produziert, der in Waben gelagert wird. Der jeweilige Imker entnimmt die Honigwaben dem Bienenstock und schleudert aus ihnen den Honig.
Diese Aufgabe übernimmt bei unseren Bienen mein Vater, während er hofft eines Tages mir oder meinem Bruder sein Handwerk weitergeben zu können. Das Erbe fortzusetzen und dabei seinen eigenen Weg zu finden, darauf kommt es an.

Lavinia Wilde

Fundstücke 1000 Jahre Leipzig