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Haar


Neustädter Fundstücke

Haar

120 x 80 x 30 mm
Haare, Metall, Stoff
Fundort: Eisenbahnstraße, Grünfläche
gefunden am: 13.05.2012

Gefunden in der Neustadt, geben sie als Teil dieses Netzwerkes  Hinweis auf Geschehen und Abläufe, die  diesem Ort zu Grunde liegen. Doch genauso, wie sie Teil dieses Stadtteils sind, stellen sie ein eigenes Netzwerk da. Ein Netzwerk aus Haaren und Materie, das nun als Objekt und Projektionsfläche präsentiert wird.

Ihrer Funktion beraubt, erscheinen sie als der Rest, der Abfall, das Produkt eines Prozesses der ewig und trivial voranschreitet.
Wir schaffen. Es entsteht. Wir schaffen weg. Wir schaffen neu.

All das, was nicht mehr stark genug, nicht sanft genug, und nicht mehr jung genug ist, wird ihrer letzten Verwurzelung entrissen, um sich schließlich hier vor uns zu sammeln und erneut zu vernetzen. Doch das Netz bleibt ohne Funktion. Es bleibt ohne Sinn.
Warum? In den Augen der Meisten ist hier das Ende. Was könnten Reste schon für eine Funktion haben? Sind sie nicht die Anderen, die Verstoßenen und Abgesonderten der, welche geschaffen wurde, um unserer Gesellschaft in ewiger Treue zur Hand zu gehen. Da ist kein Platz für die Schwächen und auch kein Platz für einen neuen Sinn. Du bist, was du bist. Und wirst du diesem Sein entrissen, bist du nichts als der Schatten dessen, was du einmal warst.

So liegen sie nun vor uns. Als Projektionsfläche für all das, was nicht mehr unseren Ästhetik- , Hygiene-, und Gesellschaftsstandards entspricht, lösen Sie wohl bei den meisten ein Gefühl von Ekel und Unbehagen aus. Schließlich sind sie ja nicht mehr Teil von etwas größerem – kein Teil von Bedeutung – nicht mehr Teil dessen, was ihnen einst ihre Funktion gab. Sie waren Zeichen von Identität, Ausdrucksmittel und Hinweis auf Wohlbefinden und Gesundheit ihres Trägers. Wurden getrocknet, gekämmt, geformt, stabilisiert, geschnitten, gelegt, entrissen, verlängert, gefärbt und verbrannt. In ständiger Veränderung wuchsen sie im Wissen, dass sie wahrscheinlich nie einen bestimmten Punkt überschreiten werden.
Sie waren Wenige, als unsere Zeit begann. Wurden mehr, je mehr Zeit verging. Sie werden verschwinden, wenn auch unsere Zeit zu Ende geht.
Dennoch ist uns das, was wir sehen fremd. Uneindeutig und fremd, denn nur wer oder was teilnimmt, nimmt eine Funktion und eine Rolle ein, die das Sein in diesem Netzwerk bestimmt. Wenn das nicht geht. Wenn wir das nicht wollen, dann sind wir so, wie das, was wir hier sehen oder auch nur sehen.

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Autor
Christopher Utpadel

www.christopherutpadel.com