Schicksalsphilosophie – in der Antike und heute

Wie wir mit dem Begriff „Schicksal“ umgehen und wie wir ihn definieren hat sich von der Antike an stets verändert. Immer wieder andere Gesetzmäßigkeiten haben Menschen gefunden, um Unerklärliches zu erklären. Wie also fing alles an?

 

Moira, was aus dem Griechischen kommt und so viel bedeutet wie „das dem Menschen Zugeteilte“ war zunächst die höchste Schicksalsinstanz, die nicht nur über die Menschen sondern auch über die Götter entschied. In der Ilias von Homer ist sie zu finden und wird als Macht beschrieben, die allen Lebewesen bereits vor der Geburt ihr Los zuteilt und den Schicksalsfaden spinnt.

Erst später, in der Odyssee, erlangt diese Macht göttlichen Rang in der Person des Göttervaters Zeus: Nun mischt auch er mit und wird Herr über Leben und Tod, wobei sein Plan den Menschen stets verborgen bleibt. So wird beschrieben, wie er die Schicksale von Hektor und Achill in einer goldenen Waage wog, um dem „Schwereren“ den Tod zu bringen. Aus diesem unumgänglichen Schicksalsbegriff hat sich schließlich der Glaube an die drei Schicksalsgöttininnen, den  drei Parzen oder Moiren, entwickelt. Klotho spinnt den Schicksalsfaden, Lachesis verteilt das Lebenslos und Atropos schneidet den Schicksalsfaden durch. Auch wenn die Göttininnen über das Leben entscheiden, bleibt einem Menschen dennoch die Wahl, welches Lebenslos ihm in seinem zukünftigen Leben zu Teil wird und vielleicht das erste Mal ist er höheren Instanzen nicht nur ausgeliefert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Philosophie der griechischen Stoiker um 300 v. Chr. verbindet die göttliche Macht mit allumfassenden Naturgesetzen und sieht im Schicksal eine lückenlose Verkettung von Ursachen, den sogenannten Kausaldeterminismus. So seien alle Dinge Bestandteil einer natürlichen Ordnung und der Mensch müsse lernen, sich dieser gegebenen Ordnung zu fügen: Ducunt volentem fata, nolentem trahunt. Den Wollenden führt das Schicksal, den Unwilligen schleift es mit. Vor allem die Römer sahen im fatum (lat. „Götterspruch“) das Schicksal begründet und es war nicht mehr vom Wille des Jupiters bzw. der Götter zu trennen. Cicero öffnete die Unumgänglichkeit der Schicksalsvorstellung und führte als Begründung an, dass der Wille Ursprung seiner selbst sei und somit nicht vom fatum beeinflusst sei.

Zuletzt bringt Boethius, ein spätantiker, römischer Gelehrter an, dass die fortuna (lat. „Schicksal“ aber mehr im Sinne von „Zufall“, „Glück“ bzw. „Unglück“) nur deshalb oft als ungerecht empfunden wird, weil dem Menschen die Ursprünge aller Ereignisse und dessen Hintergründe nicht bekannt seien. Er sagte, dass jedes den Menschen betreffende Schicksal gut sei und es vom Menschen abhinge, was er daraus mache.

Wie also unterscheiden sich die damaligen Vorstellungen vom heutigen Schicksalsbegriff? Ähnlich wie die Stoiker erkennen wir Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge. Jedoch können wir wissenschaftlich sehr viel eher als früher erklären, was das Leben bzw. Lebensschicksal eines jeden beeinflusst: Zum Einen Veranlagungen, aber auch das soziale Umfeld und die eigene Lebensweise. Wir entscheiden selbst und unsere eigene Einstellung zählt. Nur wenn uns besonders seltsame oder erschütternde Dinge passieren, fragen wir uns, ob es nicht vielleicht doch eine unausweichliche Vorbestimmung oder  einen uns verborgenen Sinn hinter den Dingen gibt. Denn ganz sicher sein können wir uns nicht.

 

 

 

 

 

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Quellen:

Enders, Markus: Das Schicksal in der Antike und seine Bedeutung für das Machbarkeitsdenken heute, in: imago hominis (2011); 18 (2): 121-136.

Theunissen, Michael: Schicksal in Antike und Moderne. München 2004.

Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Hrsg. v. Hubert Canik u. Helmut Schneider. Stuttgart; Weimar; Metzler 2000, Bd. 8, 340-343.

ebd. Bd. 9, 327.

Lexikon der antiken, mythischen Gestalten. Hrsg. v. Michael Grant u. John Hazel. 18. Auflage 2004, 153.