Glühbirne

Neustädter Fundstücke

Glühbirne

103 × 580 × 580 mm
Glas, Metall
Fundort: Hinterhof in der Ludwigstraße 77
gefunden am: 19.04.2012

Zerbrechlich, grazil, rostig, in der Erde, zwischen Kohlestaub und Kieseln, unter freiem Himmel verborgen. Ungeschützt funkelt sie und verrät sich dadurch ihrer Finderin. Eine Glühbirne der Firma NARVA, einst dafür geschaffen ein helles Licht zu verströmen und dabei leicht zu erhitzen.

Die gläserne Narva

Im Jahr 1967 mit einem Gewicht von 36 Gramm und einer Größe von 10,8
Zentimeter ohne Komplikationen geboren. Ausgestattet mit einer Leistung von 40 Watt. Drei Stunden später begab sie sich, sorgfältig verpackt und damit gegen starke Erschütterungen geschützt, versteckt in einer Pappschachtel auf die Reise vom Glühlampenbetrieb Plauen nach Leipzig. Im dortigen Centrum Warenhaus fand die gläserne Narva ihren Platz zwischen Schwestern ihrer Art. Diese waren mit mehr als bauchigen Wölbungen ausgestattet und befanden sich ebenso wie sie, präzise in einem eigens für ihre Gattung ausgestelltem Regal, aufgereiht. Nach nur wenigen Tagen geriet sie in die behutsamen Hände des Bäckermeister Fleischhammer Junior. Er schätzte sie nicht nur wegen ihres praktischen Nutzens. Ihn lockte das warme Licht, welches sie zu verströmen versprach. Just Zuhause in der Ludwigstraße 77 angekommen, drehte er sie in einen schlichten, nahezu gewöhnlichen Lampenschirm im Flur zur Backstube.

Ihre zarten Glühfäden begannen zu leuchten, wenn der noch müde Bäckermeister allmorgendlich um drei Uhr den breiten schwarzen Kippschalter umklappte. Der kurze schmale Gang erschien in einem warmen Licht und ließ im Halbschatten die Backstube erkennen. Die ersten Brotleibe und Brötchen wurden geformt, gebacken und in Körbe gefüllt. Auf einem Rollwagen in den Flur befördert, verweilten sie dort, bereit um in den Verkaufsraum im Haupthaus gefahren zu werden. Ein heller Lichtstrahl lenkte den Fokus auf die Backwaren. Die schlichte, fast kahl wirkende Atmosphäre, welche den Durchgang zwischen Hof und Backstube dominierte, wurde durch das facettenreiche Lichtspiel feinfühlig erobert. Im Zusammenspiel mit dem Lampenschirm aus farbigem Glas schuf die gläserne Narva Farbflächen, welche die gekalkten Wände zierten und Behaglichkeit aufleben ließen.

Unserer Protagonistin kann ein beobachtender, zurückhaltender Charme zugestanden werden. Uns begegnet eine Glühbirne, die den Betrachter mit ihrem wohl geformten, zerbrechlichen Körper aus Glas, der seine Umwelt reflektiert und erleuchtet, verführt. Im Inneren mit einem festen Glaskern, zarten Drähten und feinsten Glühstäben ausgestattet, die ihre Eleganz unterstreichen. Ein Schatz unter den Glühbirnen und unverzichtbar für jeden Ästhet, der das künstlich geschaffene Licht und seine Farbabstufungen von einem kühlen weißblauen Schein bis zu einer warmen Helligkeit schätzt.

Quellen
Fernsprech- und Branchenbücher der Stadt Leipzig 1941 und 1960/6 (Stadtarchiv Leipzig)

http://de.wikipedia.org/wiki/Narva_%28Leuchtmittel%29
http://de.wikipedia.org/wiki/Centrum_Warenhaus

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Autor
Anna-Maria Sever

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