Bildnisse römischer Kaiser waren überall im öffentlichen und sakralen Raum des Reiches aufgestellt und dienten ihrer Ehrung. Marc Aurel (121-180 n. Chr.) war bereits in jungen Jahren zum Nachfolger des Kaisers Antoninus Pius bestimmt worden, der im Jahre 161 nach Chr. verstarb. Um ihn als Kronprinzen und künftigen Thronfolger bekannt zu machen, wurden noch vor Beginn seiner Regierungszeit Bildnisse von ihm verbreitet. Der Kopf, den Sie hier ertasten können, entstand vermutlich um 140 nach Chr.
Die Frisur folgt der Mode der mittleren Kaiserzeit. Üppig gelockt, breitet sich das Haar vom Wirbel am Hinterkopf über das Haupt aus. Dicke Locken rahmen die Stirn und bilden einen Bogen, der vor den Ohren endet. Über der Stirnmitte befindet sich eine Lücke. Auf diese folgt rechts ein Wirbel, gebildet aus zwei gegenläufig eingedrehten Locken. Weiter getastet, fühlen Sie ein Strähnenbündel, welches S-förmig geschwungen ist. Über der linken Stirnhälfte ringelt sich eine Korkenzieherlocke. Einzelne Locken winden sich an den Schläfen entlang. Der obere Rand der Ohrmuscheln ist von der Frisur verdeckt. Von den Ohren hinunter bis zum Kiefer zieht sich ein dünner Bart die sonst glatten Wangen entlang. Weit nach oben gezogene, ebenmäßig gebogene Brauen betonen die Höhlen der Augen. Jene quellen leicht unter den tief herabhängenden Oberlidern hervor. Die Iris ist durch eine Ritzlinie markiert, die Pupillen durch nierenförmige Bohrungen. Die sogenannte Augenbohrung ist ein technisches Detail, welches ab etwa 130 nach Chr. bei römischen Porträts auftritt. Vorher wurden Iris und Pupille malerisch gestaltet. Die Nase tritt kräftig hervor. Unter den Wangenflächen zeichnen sich die hohen Knochen ab.
Streichen Sie nun mit den Händen den Kiefer entlang. Sie erfühlen das kräftig gerundete Kinn. Der Bart unter dem Kinn wird in Form von lockenförmig geritzten Linien angegeben. Ein kurzer, dünn geritzter Schnurrbart bedeckt die Oberlippe. Unter den vollen Lippen des geschlossenen Mundes liegt ein feiner Bartstreifen.
Im Haar und im Gesicht können Sie feine Grate ertasten. Das sind sogenannte Gussnähte, die als Werkspuren bei der Herstellung eines Abgusses entstehen. Die Kopie wurde nicht in einem Stück hergestellt, sondern aus mehreren Teilformen zusammengesetzt. An den Ansatzstellen der Einzelteile tritt immer etwas Abformmaterial hervor.