Vorschulische Begegnungen mit Kunstgeschichte
Leitung:
Roland Karl Metzger (Stiftung Universität Hildesheim)
Prof. Dr. Bettina Uhlig (Stiftung Universität Hildesheim)
Die Forschungen zu kindlichen Bildpräferenzen und -interessen zeigen deutlich, dass Kinder sich für historische Kunst ebenso interessieren wie für Kunst der Gegenwart. Damit kann die weit verbreitete Annahme, dass Kinder moderne und zeitgenössische Kunst präferieren, weil diese näher an ihren Lebenskontexten sei, in Frage gestellt werden. Das Alter eines Kunstwerks ist kein Kriterium für kindliches Interesse an Kunst. In allen uns bekannten Untersuchungen begründet kein Kind die Entscheidung für die Auswahl eines (interessanten) Kunstwerkes mit dem Argument, dass es „alt“ oder „neu“ ist. Kinder interessieren sich auch nicht für diese oder jene Bildsorte oder Kunstepoche, oder gar für bestimmte formale Kriterien (leuchtende Farbigkeit, einfache Formen, überschaubarer Bildaufbau), wie dies noch Hermann Hinkel (1972) annahm. Vielmehr sind es exemplarische und vom einzelnen Kind in der Regel konkret benennbare Aspekte, die Interesse wecken, wenn sie eine Resonanz im individuellen Lebenskontext hervorrufen. Das können Resonanzen zu Themen, Ereignissen, Vorlieben, Erfahrungen usw. sein, die das Kind mit einem Kunstwerk verbinden kann. An einem mittelalterlichen Drachenaquamanile* können verschiedene Aspekte (formal, inhaltlich, kontextuell) interessant sein: der Drache als bekannte Figur aus anderen Zusammenhängen; die Ähnlichkeit des Objektes mit Tieren (Enten), die auf dem Bauernhof der Großmutter eines Kindes anzutreffen sind; das Objekt als Gießgefäß – wie das Wasser hinein und hinaus gelangt; die Handhabung eines solchen Objektes; seine Materialität (Metall, Bronze); die Gebrauchsspuren u. a.
Weil historische Kunst auf sehr vielfältige Weise kindliche Fragen und Interessen berühren kann und Anknüpfungspunkte für eine Auseinandersetzung mit Kunst, Kultur und individuellen Lebenszusammenhängen anbietet, ist sie bildungsrelevant und gehört nicht nur in den Kunstunterricht jeder Grundschule – sondern ebenso in die Kita. Die entscheidende Frage ist jedoch, wie historische Kunst für Kinder im Alter von 0-6 bildungswirksam werden kann. Dieser Frage geht die Sektion X auf die Spur.
In der Grundschuldidaktik werden Rezeption (Kunstvermittlung) und Produktion (bild-künstlerische Praxis) als komplementär verstanden und in der Regel auch als eigenständige, wenngleich sich ergänzende Bereiche innerhalb von Unterricht ausgewiesen. In der Kita müssen andere Formen und Formate der Rezeption und Vermittlung von (historischer) Kunst entwickelt werden, die sowohl den institutionell-strukturellen, als auch den entwicklungsspezifischen Besonderheiten von Kita-Kindern gerecht werden. Ein erster, grundlegender Punkt ist die unmittelbare Präsenz und Verfügbarkeit von historischer Kunst in Form von Bildmaterial, Büchern u. a. sowie die Möglichkeit, historische Kunst im Original (im Museum) zu sehen. Kunst gehört in das Sichtfeld von Kindern, damit sie überhaupt darauf aufmerksam werden und sich interessieren können. Wird die Aufmerksamkeit für eine Sache erregt, zum Beispiel für ein Ausstellungsplakat mit dem Drachenaquamanile, dann kann sie zum Anlass für eine vertiefte Beschäftigung werden.
Damit sind Fragen nach kind- und kunstadäquaten Vermittlungsformen für den Elementarbereich aufgerufen, die auf den beiden Kongressen in Leipzig und München theorie- und anwendungsbezogen diskutiert und vertieft werden sollen. Es erfolgt eine Orientierung an vier Dimensionen der Vermittlung:
- Material
- Raum
- Bild
- Spiel
Wir fragen: Welche Formen und Varianten kindorientierter Rezeption und Vermittlung historischer Kunst lassen mit Blick auf Material, Raum, Bild und Spiel akzentuieren und wie lassen sich daraus innovative methodische Herangehensweisen erarbeiten und erproben.
Kontakt:
Roland Karl Metzger
Bettina Uhlig