Filmdose

Neustädter Fundstücke

Filmdose

51 × 39 × 39 mm
Kunststoff
Fundort: Eisenbahnstraße
Gefunden am: 18.04.2012

Für viele Menschen steht eine schwarze Filmdose steht für Stil, Zeitlosigkeit, Nostalgie und Kreativität. Jeder Fotograf, der analoge Fotografie bevorzugt, würde seinen vollen Film bis zur Entwicklung in solch einer Dose aufbewahren und nicht einfach auf die Straße werfen. Was geschah hier?Warum liegt eine leere Filmdose mitten auf der Straße? Welche Geschichte verbirgt sich dahinter? Niemals warf ich beim Wechseln des Films die leere Dose weg, sondern bewahrte dort stets den vollen Film auf.

Ereignete sich hier eine so spektakuläre Szenerie, dass der Fotograf hastig seinen vollen Film gegen einen neuen austauschen musste und dabei in aller Hektik die Filmdose wegwarf? Der Fundort ist so lebendig und vielseitig, dass dort jederzeit ein spannendes Ereignis passieren kann.

Mit dem Fund der schwarzen Filmdose dachte ich sofort an einen Fotografen, der analoge schwarz/weiß Fotografie bevorzugt. Sie lag geöffnet auf dem Asphalt neben einer Mülltonne in der Eisenbahnstraße. Im Zeitalter der digitalen Fotografie ist eine solche Filmdose für mich ein besonderes Fundstück, da ich auch persönlich analoge Fotografie vorziehe.

Die Neustadt ist zweifellos eines der multi-kulturellsten Viertel in Leipzig. Hier traf ich einst auf einen russischstämmigen Fotografen, der vielseitig begabt und interessiert ist. Sein Name ist Sergey Sivuschkin. 1996 kam er mit seiner Familie von Russland nach Deutschland. Seit sieben Jahren wohnt er nun als freiberuflicher Fotograf und Künstler in der Eisenbahnstaße. Die Eisenbahnstraße scheint ruhelos und laut – eben eine typische Hauptverkehrsstraße. Doch genau diese Eigenschaften, die viele Menschen als störend und unangenehm empfinden, brauchen einige Künstler. Die Straßen sind stets voller Leben und Menschen aus den verschiedensten Ländern und Kulturen. Sergey liebt genau das an der Neustadt und könnte sich nicht vorstellen, in einem anderen Teil der Stadt zu wohnen. Das Viertel und die Menschen inspirieren ihn zu seinen Arbeiten.


Jelly Belly Death

Provokative Titel wie Bloody „Valentine“, „Fucked up“ und „Sex-addicted“ zieren seine Arbeiten, bei denen er nichts dem Zufall überlässt. Sie sind inszeniert und detailverliebt. Zumeist reicht ein Blick nicht aus, um die verstecken Kleinigkeiten, die zur Aussage des Bildes beitragen, zu entdecken. Mit seinen häufig surrealistisch angehauchten Bildern erzählt er Geschichten über Menschen mit den unterschiedlichsten Charakteren. Diese bringen durch ihre Vielfalt Sergey immer wieder auf neue Ideen. Des Öfteren begegnete er seinen Models in der Neustadt, ob an der Bushaltestelle, in der Kaufhalle oder beim Döner um die Ecke – überall entdeckt der sich als Deutscher fühlende Russe interessante Menschen, die in seiner Nachbarschaft wohnen. Sobald ihm eine Person interessant erscheint, lässt er es sich nicht nehmen, auf die Person zuzugehen, um sie für eine künstlerische Zusammenarbeit mit ihm zu bewegen. Seine Bilder sind experimentell, brutal und provokativ. Er mag ein kleiner Velázquez, der mit seiner Venus die Schönheit der Frau darstellt, der Fotografie sein, denn auch er scheut sich nicht vor der Nacktheit und Ästhetik des weiblichen Körpers. Er will schockieren und zum Nachdenken anregen.


Bloody Valentine #7


Wraped in thought

Leider werde ich nie die wahre Geschichte des Fundstücks erfahren, aber es ist ein Symbol dafür, dass Künstler wie Sergey den Charme des Viertels für sich entdeckt haben.

Autor
Anika Preissler

Links
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http://luxactor.blogspot.de/
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