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Mathematik Pflanzenwachstum

Berechenbare Natur

Pflanzen und der goldene Winkel

Das Signet des Beitrags Berechenbare Natur zeigt eine im goldenen Winkel wachsende stilisierte Pflanze.

Der Aufbau einer Pflanze ist nicht willkürlich. Er ist strengen Regeln unterworfen. Ein Blatt wächst nicht dort, wo es will. Es muss sich energetisch lohnen, in eine bestimmte Richtung zu treiben. Oder hast du schon mal Blätter in einer dauerbeschatteten Zimmernische gesehen?

Wann und wie eine Pflanze wächst, ist in ihren Genen hinterlegt.

Die Nahaufnahme eines Graptopetalum paraguayense-Sprösslings zeigt, wie die Blätter zueinander versetzt wachsen.
Nahaufnahme eines Graptopetalum paraguayense – Sprösslings

Bei vielen Pflanzen, deren Blätter schraubig wachsen, tritt ein mathematisch analysierbares Phänomen auf. Die Blätter wachsen im goldenen Winkel zueinander.

Vielleicht hast du schon einmal etwas vom goldenen Schnitt gehört. Hierbei wird eine Strecke genau so in zwei Teile geteilt, dass die kleinere Strecke zur größeren das gleiche Verhältnis aufweist, wie die größere zur Gesamtstrecke. 

Eine Strecke, die im Verhältnis des goldenen Schnitts geteilt ist, wird zu einem Kreis gelegt. Verbinden sich der Verknüpfungspunkt der beiden Streckenenden und der Teilungspunkt des goldenen Schnitts mit dem Mittelpunkt des Kreises, so ergibt sich der goldene Winkel. Dieser beträgt circa 137,5°.
Klicke auf das Banner, um zu sehen, wie eine Pflanze im goldenen Winkel wächst.

Wenden wir dieses Verhältnis also auf den Vollwinkel von 360° an. Der goldene Winkel beträgt ca. 137,5°. Nur dann gilt:

360-137,5° = 222,5°  Das Verhältnis des kleineren Winkels mit 137,5° zum größeren mit 222,5° ist genauso groß wie das Verhältnis des größeren Winkels mit 222,5° zum Vollwinkel von 360°.

Einige Pflanzen bilden ihre neuen Blatt- oder Blütenanlagen genau in diesem Winkel aus. Man spricht davon, dass sie eine schraubige Phyllotaxis aufweisen. Die Phyllotaxis (aus dem Altgriechischen φύλλον phyllon ‚Blatt’ und dem Griechischen ταξις taxis ‚Anordnung‘) ist die Lehre der Blattstellung.

Die Blätter der Graptopetalum paraguayense wachsen auf unterschiedlichen Höhen.
Seitenansicht auf die Graptopetalum paraguayense

In dem die Blätter um das Verhältnis des Goldenen Winkels versetzt sind, treten keine Perioden auf. Dies sorgt dafür, dass ein Blatt niemals von einem anderen überdeckt wird. Die Blätter stehen sich nie gegenseitig im Schatten und es entstehen keine maximalen Lichtlücken. Damit sichern sich die Pflanzen die bestmögliche Lichtausbeute und maximieren ihre Photosyntheseerträge.

Verantwortlich für die spezielle Art des Wachstums ist eine Kombination aus Pflanzenhormonen.

Blick ins Sprossbildungsgewebe mit den verantwortlichen Hormonen. Das Bild enthält den Link zur Infografik.

Beispiele für schraubig wachsende Pflanzen sind Breitwegerich, Ananas, Koniferenzapfen, Dickblattpflanzen wie Agaven oder Spiralaloe, Romanesco, Artischocken oder Rosen.

Links

Radiobeitrag zu Geheimnisvolle Ordnung der Natur

Terra X-Beitrag zu Supercodes – Die geheimen Formeln der Natur

Quellen

Haftendorn, D. (2016): Mathematik sehen und verstehen. Schlüssel zur Welt. 2. Auflag. Springer Spektrum: Berlin.

Kuhlemeier, C. (2017): Phyllotaxis, CellPress. Current Biology Magazine, 27, R 882-887. online unter: https://www.cell.com/current-biology/pdf/S0960-9822(17)30635-8.pdf, [zuletzt besucht am 07.07.2021].

Verhulst, R. (2019): Im Banne der Mathematik, Die kulturellen Aspekte der Mathematik in Zivilisation, Kunst und Natur. Springer Spektrum: Berlin.

Willig, H.-P. (o.J.): Phyllotaxis. online unter: https://www.biologie-seite.de/Biologie/Phyllotaxis, [zuletzt besucht am 29.06.2021].

Autorin: Pia Harz