„Psssssst, es geht los!“
Seit ich ein kleines Kind bin, gibt es am Sonntag um 12 Uhr nur eines zu tun: Schnabel halten und Sonntagsmärchen gucken.
Was mir dabei seit kurzem immer wieder bewusst wird: Die Märchenheld:innen lagern ziemlich viele ihrer Aufgaben an die pflanzlichen Bewohner:innen der Märchenwelt aus.
Egal, ob singende klingende Bäumchen, schüchterne Gänseblümchen, riesige Bohnenranken oder leckerer Rapunzelsalat – Pflanzen spielen immer wieder Gastrollen in meiner liebsten sonntäglichen 12 Uhr – Beschäftigung.
Eine Pflanze hat es den Gebrüdern Grimm & Co dabei besonders angetan: die Rose.
Sie gilt allgemein als Symbol für die Gefühle der Märchenheld:innen. Häufig symbolisiert sie Verletzlichkeit, gilt dabei aber stets trotzdem als wehrhaft, aufgrund ihrer Dornen (vor allem, wenn der oder die Falsche sie zu brechen versucht). Die, in ihr zusammen gebrachten Motive der Schönheit und zugleich Vergänglichkeit, können als Parabel für den Lauf des Lebens gesehen werden.
Die Königin der Blumen tritt in der Märchenwelt meist als rot oder weiß auf. Eine rote Rose steht symbolisch für Leidenschaft, Sehnsucht und Verlangen, während die weiße Rose für Unschuld, Treue und Reinheit steht. Zusammen genommen ergeben diese beiden entgegengesetzten Pole das wohl facettenreichste der Gefühle: die Liebe.
Dass die Rose sich zu wehren weiß, aber gleichzeitig als gefühlvolle Liebesbotin taugt, sieht man an Grimms Märchenklassiker „Dornröschen“. 100 Jahre lang gelingt es der stacheligen Dornenhecke der Prinzessin allerlei liebestolle Jünglinge vom Leib zu halten, bis eines Tages „Der Richtige“ auftaucht. Vor ihm öffnet sie sich und lässt ihn ins Schloss, sodass einer glänzenden Zukunft der Verliebten nichts mehr im Wege steht.
Nicht selten hält die tückische Liebesbotin den Märchenheld:innen auch einen Spiegel vor. Schneeweißchen und Rosenrot beispielsweise, wurden nicht nur nach ihren Lieblingsblumen benannt, sondern tragen darüber hinaus auch noch ihre Eigenschaften in sich. Während Rosenrot wild, mutig und neugierig ist, bleibt das sanfte, stille Schneeweißchen lieber daheim und schmeißt den Haushalt.
Auch im Märchen von der Schneekönigin zeigt die Rose der mutigen Gerda an, in welcher Gefühlslage sich ihr Bruder Kai gerade befindet, und hilft ihr so, sein Leben zu retten.
Weitere Märchen in denen die Rose allerlei spannende Jobs übernimmt, sind zum Beispiel: „Die Schöne und das Biest“, „Der Rosenelf“ und „Jorinde und Joringel“.
Welche Aufgaben das sein können erfährst du hier:
Eines sollte uns also klar sein. Ohne die Rose als Liebesbotin, Sicherheitssystem oder Magieträgerin würden unsere liebsten Märchenheld:innen wohl oft ganz schön alt aussehen.
Quellen & Links
Grimms, Wilhelm; Grimm, Jacob; Hauff, Wilhelm, Andersen, Hans Christian: Der große Märchenschatz: Andersons Märchen, Grimms Märchen, Hauffs Märchen. Anaconda Verlag 2020
Bedeutung der weißen & roten Rose
Autorin
Judith Marie Lichner