Letter

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Letter

110 × 150 × 175 mm
Papier, Polystyrol, Zahnstocher, Acrylfarbe

Für moderne Augen gar nicht mehr so leicht zu erkennen – eine Letter des Buchstaben „A“ von 1492.

Was die Predella in der Ausstellung dereinst enthielt, kann niemand mehr mit Sicherheit sagen. Vermutet wird jedenfalls, dass sie unter anderem als Schrein für eine Reliquie diente. Diese Reliquien waren Gegenstände religiöser Verehrung, etwa das Körperteil eines Heiligen (wie beispielsweise – und das ist kein Scherz – die heilige Vorhaut Jesu) oder ein Artefakt der Heilsgeschichte (häufig ein Splitter des Kreuzes). Oftmals wurde ihnen eine wundersame Wirkung nachgesagt, nicht zuletzt ein Grund dafür, dass derartige Artefakte tausende Pilger anzogen. Somit stellten der Reliquienkult und der damit verbundene Wunderglauben einen der Grundpfeiler der römisch-katholischen Kirche dar.

Diesen Grundpfeiler galt es, folgte man Luther und seinen Mitstreitern, einzureißen. Statt ominöse Objekte anzubeten wollten die Reformatoren sich wieder auf die unverfälschte Basis des Glaubens zurückbesinnen – das Wort der Bibel. Und dieses sollte nicht mehr nur der Deutungshoheit des katholischen Klerus unterliegen, sondern jedem Gläubigen zugänglich sein, auf dass er sich seine eigenen Gedanken mache und selbst deute. Stellvertretend für diesen Paradigmenwechsel steht hier, anstelle einer Reliquie, eine schlichte Letter des Buchstabens „A“, Teil einer der ersten Druckschriften, welche von Heinrich Lettersnyder im Jahre 1492 entwickelt wurde. Der Buchdruck war nicht nur ein willkommenes Hilfsmittel, sondern geradezu ein Katalysator der Reformation, deren Schriften sich nun in bisher unbekannter Geschwindigkeit verbreiten ließen. Die durch den Buchdruck ausgelöste Medienrevolution ging mit der im Glauben Hand in Hand.

Seine 95 Thesen mag Luther noch mit der Hand geschrieben haben, aber erst das gedruckte Wort machte sie und seine anderen Schriften deutschland- und am Ende europaweit bekannt.

Literatur
Arnold Angenendt: Heilige und Reliquien. Die Geschichte ihres Kultes vom frühen Christentum bis zur Gegenwart. München, 1997.
Ludwig A. Minelli: Die Beschneidung des Herrn, Das Wunder der göttlichen Vorhaut, in: Der Tagesspiegel, Berlin 17. August 2012.
Wienecke-Janz, Detlef: Die Chronik der Deutschen. Chronik Verlag im Wissen Media Verlag GmbH, Gütersloh/München, 2007.

Dauerausstellung, Stiftung Werkstattmuseum für Druckkunst Leipzig, Nonnenstraße 38, 04229 Leipzig

Fotos Alexander Schmitz

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Autor
Alexander Schmitz

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