Die umfangreiche Dissertation, deren gesichertes theoretisches Fundament in verschiedene Richtungen ausgebreitet wird, ohne jemals den Fokus auf die Forschungsfrage zu verlieren, widmet sich folgender Fragestellung: Wie, unter welchen unterrichtspraktischen Voraussetzungen und in welchen individuell-variablen Modi entwickeln Jugendliche bei der Lösung einer gestalterischen Aufgabe kreative Wege? Und: Wie sind diese subjektiven Lösungsstrategien zu systematisieren, zu veranschaulichen, zu beurteilen und wiederum fachdidaktisch sensibel fördernd zu beeinflussen?
»Mit dem Nachlassen der kindlichen Expressivität und der wachsenden Orientierung der Schüler*innen an realistischen Bildwelten nehmen deren Schwierigkeiten zu, mit den äußerst komplexen Mitteln vor allem der Malerei ausdrucksstarke Beziehungen zwischen Figur, Farbe und Raum herzustellen und sich dabei mit der ganz persönlichen Lebenswelt auseinanderzusetzen. Anstatt nach individuellen Bildlösungen zu suchen, greifen Jugendliche dann auf klischeehafte Bildvorgaben zurück bzw. nutzen völlig erstarrte Darstellungsformeln.« Steffen Wachter nutzt diese verbreitete und beforschte Ausgangssituation als Sprungbrett für seine Dissertation und liefert mit dieser opulenten Publikation einen beachtlichen praxistheoretisch ausgerichteten Salto für die Kunstpädagogik ab.
Im Rahmen einer Fallstudie wird verdeutlicht, dass die gestalterischen Lösungen von Schülern der Klassenstufe 6 nicht in einem durchgängig und in allen Punkten als kreativ zu charakterisierenden Problemlösungsprozess erfolgen. Bekannte und bewährte, übernommene und klischeehafte, eigene, neuentdeckte und -entwickelte Teillösungen machen das individuelle Gemisch der Gesamtlösung aus. Zudem ist diese nach wie vor durch alters- und entwicklungsabhängige Faktoren bestimmt, besonders durch ein disparates Verhältnis von realistischem und prägnantem Darstellungsanspruch. Die differenzierte Beurteilung der bildnerischen Leistungen unter Heranziehung kreativitätsspezifischer Indikatoren führt zu individuellen Kreativitätsprofilen, die die Stärken des jeweiligen Schülers im bildnerischen Problemlöseverhalten ebenso aufzeigen wie ausbaufähige Eigenschaften. Das Kreativitätskonstrukt funktioniert hier als hilfreiches Differenzierungsinstrument bildnerischer Leistungsfähigkeit, da Kreativität nicht als pauschale Grundeigenschaft angenommen wird, sondern als komplexes Zusammenwirken diverser, höchst verschiedener und unterschiedlich gewichteter Eigenschaften.
kopaed Verlag, München
ISBN 978-3-86736-474-4