Am 3. Februar 2021 verstarb Günther Regel – Nestor einer nonkonformistischen Kunstpädagogik in der DDR, Inspirator in der kunstpädagogischen Entwicklung nach der deutschen Wiedervereinigung und Emeritus des Institutes für Kunstpädagogik der Universität Leipzig – kurz vor seinem 95. Geburtstag.
Günther Regel wurde 1926 in Maltsch/Oder (Schlesien) geboren. Ab 1946 war er in der Nähe von Leipzig als sogenannter Neulehrer tätig. Von 1948 bis 1952 absolvierte er das Studium der Kunsterziehung und Psychologie an den Universitäten Leipzig, Halle und Greifswald. Daran schloss sich bis 1970 eine Lehr- und Forschungstätigkeit an der Universität Greifswald. 1956 folgten die Dissertation und 1960 die Habilitation auf dem Gebiet der Farbgestaltung und bereits 1963 erhielt er eine Professur für Theorie und Methodik der Kunsterziehung an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. 1968 kam es dann zu einem ersten offenen Konflikt mit der Kultur- und Bildungspolitik der DDR. Das führte zur Suspendierung vom Dienst und Hausverbot an der Universität. Und 1970 kam es zur Strafversetzung an die Karl-Marx-Universität Leipzig. Hier baute Günther Regel den Lehrstuhls Theorie der bildenden Kunst auf und stellte eine praxisorientierte, auf Schule bezogene Kunsttheorie in den Mittelpunkt seiner Arbeit. Den Lehrstuhl leitete er bis zu seiner Emeritierung 1991. Aber auch die Leipziger Zeit war von zahlreichen Konflikten mit Partei und Staat geprägt.
1977 bereitere er beispielsweise eine Tagung mit internationaler Beteiligung zum Thema »Bildkünstlerischer Schaffensprozess – Leitung bildnerischer Prozesse« vor, die aber dann wegen des fehlenden Bekenntnisses von Günther Regel zur Kulturpolitik des sozialistischen Staates kurzerhand verboten wurde. Weitgehend unbeachtet blieb, dass er 1983 Mitautor des Buches »Bewegungserziehung – Bildnerische Erziehung – Musikalische Erziehung« für die Ausbildung von Krippenerzieherinnen war – eine bis heute einzigartige und tragfähige Basispublikation zur bildnerischen Tätigkeit von und mit Krippenkindern. 1986 erschien sein Hauptwerk »Medium bildende Kunst – Bildnerischer Prozess und Sprache der Formen und Farben« im Henschelverlag Berlin, nachdem sein Erscheinen fast zehn Jahre hintertrieben worden war. Internationales Aufsehen erregte Günther Regel 1987 mit der Herausgabe des Buches »Paul Klee – Kunst-Lehre – Aufsätze, Vorträge, Rezensionen und Beiträge zur bildnerischen Formlehre« im Reclam Verlag Leipzig. 1989 protestierte Günther Regel in einem »Offenen Brief« gegen die von der Volksbildungsministerin der DDR, Margot Honecker, bekräftigten Ausklammerung der modernen Kunst des 20. Jahrhunderts aus dem Schulunterricht der DDR. 1990 wird Günther Regel dann Erster Vorsitzender des Bundes Deutscher Kunsterzieher in der DDR. Sein recht bald folgender Rücktritt ist die Reaktion auf die schnelle organisatorische Einverleibung in den BDK der alten Bundesrepublik. Regel befürchtete, dass damit die DDR-spezifischen Probleme und ihre notwendige Klärung auf der Strecke bleiben könnten.
Rückblickend lässt sich sagen, dass es vor allem die Frage nach der Eigenart und Struktur der Kunst und der Vermittlung des Künstlerischen war, die Günther Regel über Jahrzehnte beschäftigte und die sich ihm stets auf neue Weise stellte. So hat er sich mit seinen entsprechenden Thesen zum Konzept der Künstlerischen Bildung immer wieder in den kunstpädagogischen Diskurs eingebracht. Der Ausgangspunkt für dieses Interesse liegt weit zurück. Schon Mitte der 1960er Jahre war Günther Regel als junger Hochschullehrer in der DDR an die Grenzen der Didaktik und Methodik des Kunstunterrichts gestoßen. Er musste immer wieder erfahren »wie sehr der Fachgegenstand dieser Lehre, die Eigenart bildnerischer Werke und Prozesse, die Eigentümlichkeiten und Grundlagen der Kunstproduktion und -rezeption, noch im Unklaren waren«. Seine damals einsetzenden entsprechenden Forschungen stießen bei den Entscheidungsträgern für Kultur- und Bildungspolitik in der DDR keinesfalls auf Gegenliebe, führten doch gerade sie zur Entwicklung eines nonkonformistischen kunstpädagogischen Konzeptes. Jahre der Repressionen und Demütigungen folgten, die Günther Regel jedoch unbeirrt ertrug. Mit der Wendezeit eröffnete sich ihm endlich vielfältige Möglichkeiten, das von ihm geprägte Leipziger Konzept eines kunstgemäßen Unterrichts weiter zu profilieren und auf den fachdidaktischen Prüfstand in Ost und West zu stellen, u. a. auch durch sein Wirken als Schulbuchautor beim Ernst Klett Verlag Stuttgart und als langjähriger Mitherausgeber von KUNST+UNTERRICHT.
Frank Schulz im Namen der Angehörigen des Institutes für Kunstpädagogik der Universität Leipzig.